Es war auch der schlimmste Moment im Leben des grössten rumänischen Fussballidols Gheorghe Hagi, der erst vier Monate zuvor als Trainer angeheuert worden war. In Rumänien lieben sie Hagi, und fast jeder erinnert sich an die durchwachten Nächte bei der Fussball-WM 1994 in den USA, als Rumänien ganz knapp vor dem Einzug ins Halbfinale stand. Trotzdem war es eine Schnapsidee, ihn den Enttäuschungen auf der Trainerbank auszusetzen, denn davor hatte Hagi noch nie im Leben eine Mannschaft gecoacht. Diese Fehlentscheidung sollte der rumänische Fussball teuer bezahlen, denn von da an verpassten wir sowohl die Euro 2004 als auch die WM in Deutschland 2006, und bei der Vorrunde zur diesjährigen EM befürchteten viele schon ein neuerliches Scheitern: "Wenn das passiert, wäre es eine echte Tragödie, weil wir dann bei den nächsten Auslosungen in die schlechtesten Töpfe kommen und es fast unmöglich wird, noch gute Leistungen zu zeigen", warnte einer der herausragenden Spieler der jetzigen rumänischen Nationalmannschaft, Cristi Chivu. Ausser ihm haben übrigens nur Adrian Mutu, Cosmin Contra und Bogdan Lobonţ noch die EM 2000 miterlebt - die letzte Teilnahme Rumäniens an einem grossen Turnier. Und es überrascht kaum, dass ausgerechnet Mutu, der nach einem gefährlichen Karriereknick ein beachtliches Comeback feierte, und Torhüter Lobon? die Schlüsselspieler des damaligen Teams waren.

In der Vorrunde für die kommende EM überraschte Rumänien mit einem Gruppensieg gegen Holland, ohne Marco van Bastens Team ein einziges Tor zu gestatten - nachdem die Holländer bei der Qualifikation zur WM 2006 die "Tricolorii" zweimal mit 2:0 niedergeworfen hatten. Und es scheint sogar ein ewiger Kampf gegen die Oranjes zu werden, denn wir werden in der kommenden Endrunde gleich wieder auf sie treffen.

Rumänien hat hier eine "Mission Impossible" in derselben Gruppe wie Weltmeister Italien, Vizechampion Frankreich und unsere permanenten Rivalen, die Holländer! Dazu meinte Dumitru Dragomir, der Präsident des rumänischen Profifussballverbands, der immer schon die grossen Erfolge unseres Teams vorausgesehen hat: "Also, wenn wir durch diese Gruppe kommen, gewinnen wir auch die EM, denn kein Gegner danach könnte stärker sein als diese drei Weltklassemannschaften."

Natürlich hielten das alle für einen Scherz, aber Dragomir kennt den rumänischen Fussball gut, und oft lag er mit seinen Prophezeiungen goldrichtig. Im Land ist man froh, dass das Team wieder an der Spitze mitspielt, wenn auch nicht allzu optimistisch, was die Aufstiegschancen angeht: "Wir haben eine anständige Mannschaft, aber es wäre ein Wunder, wenn wir den beiden Weltmeistern Punkte abnehmen!" Das heisst jedoch nicht, dass kein Interesse daran besteht, in die Schweiz und nach Österreich zu fahren: Vermutlich sassen noch nie so viele Fans unserer Nationalelf auf den Tribünen wie diesmal. Mindestens 5000 Schlachtenbummler haben Tickets, und weitere 3000 hoffen auf das Wunder, im letzten Moment welche zu ergattern.

Coach Victor Piturca ist ein untypischer Trainer. Er hatte das Team auch in die EM 2000 gebracht, bekam aber noch vor dem Turnier bösen Streit mit den beiden Spitzenspielern Hagi und Popescu und musste zurücktreten. 2006 stand Piturca knapp davor, mit seiner Elf nach Deutschland zu fahren, doch es rächte sich sehr, dass sie in Erewan gegen Armenien unerwartet nur ein 1:1 geschafft hatten - das Abschiedsgeschenk seines Vorgängers Anghel Iord?nescu, der noch 1994 in den USA und 1998 in Frankreich der Held gewesen war. Aber Piturca arbeitete hart für die Euro 2008 und hatte diesmal Erfolg. Er ist eine seltsame Figur; man nennt ihn "Satan", weil er immer nur Schwarz trägt und seine Mobilnummer und sein Autokennzeichen die Ziffern 666 enthalten. Victor Piturca lacht zwar nie, aber er macht seinen Job hervorragend, und er hat keine Angst vor dem, was Rumänien in der Endrunde erwartet: "Wir wollen da einen guten Eindruck machen und zeigen, dass wir mit Recht dort sind, und ich verspreche Ihnen, es wird allen Spass machen, uns beim Spielen zuzusehen."

Stürmer Adrian Mutu ist auf der Höhe seiner Laufbahn und er ist eindeutig ein Gewinner. Als Chelsea ihn nach einem Kokain-Skandal feuerte, dachten viele, dies sei das Ende eines grossen Könners, der leider das Leben ausserhalb der Stadien, vor allem das Nachtleben, zu sehr liebte. Doch er bewies Stärke, indem er die berühmte "Sporting Chance Clinic" des ehemaligen Arsenal-Verteidigers Tony Adams aufsuchte und dann Schritt für Schritt sein Comeback in Angriff nahm. Eine schöne Dominikanerin namens Consuelo teilt jetzt sein Leben, sie haben zwei Töchter und sind eine sehr glückliche Familie. Mutu zeigte sein Talent erstmals wieder für kurze Zeit bei Juventus - und explodierte dann geradezu beim AC Florenz, wo er seinen ehemaligen Trainer vom AC Parma wiedertraf: Cesare Prandelli, einen Mann, der ihn besser als jeder andere zu motivieren wusste. Mutu war auch die Schlüsselfigur im Nationalteam während der Qualifikation.

Die Stärken und Schwächen in diesem Team sind schwer zu beurteilen, weil es wie eine Familie agiert und bis auf Mutu, Chivu und Tormann Lobonţ aus lauter ganz normalen Spielern besteht, nichts Besonderes. Die Abwehr ist gut aufgestellt, mit Dorin Goian und Gabriel Tamas als Kopfballspezialisten und den beiden Aussenverteidigern Cosmin Contra und Razvan Rat, die im Bedarfsfall pfeilschnell den Angriff unterstützen können. Und einen intelligenten Spieler wie Cristi Chivu als vorgelagerten Koordinator der Abwehr zu haben, ist auch sehr wichtig. Rumänien spielt nicht für die Galerie wie zu Hagis Zeiten, aber es wird zweifellos schwer sein, sie zu schlagen. Zum Problem wird vielleicht, dass sie keine wirklich kreativen Mittelfeldspieler haben, die weiträumige Spielverlagerungen schaffen - wie etwa früher Dorinel Munteanu - oder präzise Vorlagen schiessen können. Den Ausschlag geben könnten glanzvolle Momente von Mutu, oder eben das weniger schön anzusehende Taktieren im Mittelfeld, bei dem man den Gegner mit endlosen Pässen nervös macht, bis plötzlich einer wie Daniel Niculae oder Ciprian Marica unverhofft in den Strafraum vorstösst. Letzterer hat übrigens die grosse Chance, bei der Euro sein wahres Potenzial zu demonstrieren, nachdem in der deutschen Presse niemand verstehen wollte, wozu ihn der VfB Stuttgart gekauft hat.

Unter dem Strich sind die Rumänen bereit für ein gutes Turnier - auch wenn sie in einer Todesgruppe spielen. Die Fans sind wild entschlossen, ihr Team zu unterstützen, und die Spieler werden diese Emotion spüren. In solcher Gesellschaft haben sie nichts zu verlieren - im Gegenteil, sie können nur gewinnen, und sie werden garantiert harte Gegner sein, auch für die beiden Finalisten der Weltmeisterschaft 2006.

Sorin Dumitrescu schreibt für die Sporttageszeitung ProSport und das internationale Four Four Two-Magazine. Er ist Kommentator für zwei rumänische Sportkanäle.
Übersetzung: Werner Richter

Gekürzte Fassung aus dem Heft

An der EM hat Rumänien eine mission impossible vor sich: in derselben Gruppe wie Weltmeister Italien, Vize-Champion Frankreich und unsere permanenten Rivalen, die Holländer! Dazu meinte Dumitru Dragomir, der Präsident des rumänischen Fussballverbands, der immer schon die grossen Erfolge unseres Teams vorausgesehen hat: «Also, wenn wir durch diese Gruppe kommen, gewinnen wir auch die EM.»

Coach Victor Piturca ist eine seltsame Figur; man nennt ihn «Satan», weil er nur Schwarz trägt und seine Mobiltelefonnummer und seine Autonummer die Ziffern 666 enthalten. Piturca lacht nie, aber er macht seinen Job hervorragend, und er hat keine Angst: «Wir wollen einen guten Eindruck machen und zeigen, dass wir mit Recht dort sind, und ich verspreche Ihnen, es wird allen Spass machen, uns beim Spielen zuzusehen.»

Stürmer Adrian Mutu ist auf dem Höhepunkt seiner Laufbahn, er ist eindeutig ein Gewinner. Als Chelsea ihn nach einem Kokain-Skandal feuerte, dachten viele, dies sei das Ende eines grossen Könners, der leider das Leben ausserhalb der Stadien, vor allem das Nachtleben, zu sehr liebte. Doch er bewies Stärke, indem er die berühmte Sporting Chance Clinic des ehemaligen Arsenal-Verteidigers Tony Adams aufsuchte und Schritt für Schritt sein Comeback in Angriff nahm. Eine schöne Dominikanerin namens Consuelo teilt jetzt sein Leben, sie haben zwei Töchter und sind eine sehr glückliche Familie.

Stärken und Schwächen dieses Teams sind schwer zu beurteilen, weil es wie eine Familie agiert und bis auf Mutu, Chivu und Tormann Lobont aus lauter ganz normalen Spielern besteht, nichts Besonderes. Die Abwehr ist gut aufgestellt, mit den Kopfballspezialisten Dorin Goian und Gabriel Tamas und den beiden Aussenverteidigern Cosmin Contra und Razvan Rat, die im Bedarfsfall pfeilschnell den Angriff unterstützen können. Rumänien spielt nicht für die Galerie, aber es wird zweifellos schwer zu schlagen sein. Unter dem Strich sind wir bereit für ein grosses Turnier.