Als Mann kennen Sie die Situation: Man ist mit den Jungs zusammen, guckt Fussball, brutzelt ein paar Steaks auf dem Grill. Ohne die Frauen sind Männer entspannter, die Gruppendynamik ist anders. In ihrer Anwesenheit hätte die Hälfte ihrer Handlungen oder Äusserungen wohl Konsequenzen. So aber tun Männer Dinge, die sie sonst unterlassen – sich stundenlang über ein misslungenes Heimwerkerprojekt austauschen oder in längerem Schweigen verharren –, der guten Stimmung tut das keinen Abbruch.

Jedenfalls, zu einem dieser Momente fabelhafter Bedeutungslosigkeit gesellt sich irgendwann das Thema Sommerferien. Die Mehrheit hat Frau und Kinder, und so erwähnt der eine das Camping am Gardasee, der andere die Bungalows auf Kreta mit angeschlossenem Kids-Adventure-Club. Nicht komplett begeisterungstrunken, aber auch nicht so, als würde man lieber zu Hause bleiben. Dann kommt dem, der Single ist, ein Blitzgedanke. Einer, der aus den mittelalten Männern im Garten eines Reiheneckhauses mit dad bods und Cheesecake-Teint im Geist braungebrannte Surferboys in den Fluten Fuerteventuras macht.

«Wisst ihr noch, damals, als . . .» Als man noch gemeinsam in Urlaub fuhr. Surfferien 2011. Als noch keiner verheiratet war. Keiner Familie hatte. Asienrundreise 2009. «Matti und seine Badewanne, hahaha!» – «Hahaha!» Sardinien. «Hahaha!» Es folgt ein nostalgischer Zwanzig-Jahre-Rückblick-Marathon, der in der Frage endet, die alle in einer Mischung aus Beklommenheit und Verzückung herbeisehnen: «Warum wiederholen wir das nicht?» Nur eine Woche, wird bestimmt total lustig! Single-Mann blickt fragend in die Runde. Vielsagendes Schweigen. Klar wär’s schön, denkt jeder, aber das jetzt spontan bejahen? Unmöglich. Andererseits, man will ja auch nicht den Eindruck vermitteln, als müsse man zu Hause um Erlaubnis fragen, sondern allen demonstrieren: Wenn ich etwas tun will, tue ich es. Zuzugeben, dass in Wahrheit die Frau bei so ziemlich allem das letzte Wort hat, wäre ein Zeichen kompletter Unterwerfung.

Zuzugeben, dass die Frau bei allem das letzte Wort hat, wäre ein Zeichen kompletter Unterwerfung.

Und der Fall würde für sie mit hoher Wahrscheinlichkeit unvernünftig liegen. Sie soll sich mit den Kids abrackern, während man selbst sich irgendwo prächtig am Amüsieren ist? Und wie soll sie mit allem ohne ihn denn überhaupt klarkommen? Jetzt wendet der schlaue Matti ein, er habe mal gehört, von Oscar Wilde oder so, dass der einzige Weg, eine Versuchung loszuwerden, sei, ihr nachzugeben. Man entschliesst sich noch am selben Abend zu einer Surfwoche auf den Kanaren im September.

Die folgenden Tage verbringt man, jeder für sich, mit umsichtigem Herantasten, um die Gattin peu à peu in das Thema einzuarbeiten. Aktiviert sämtliche Ehemannqualitäten, neun oder so Jahre der Übung liessen einen schliesslich ein ganzes Repertoire anhäufen: ja nicht reizen, eingehend zuhören, Dinge ohne die geringste Aufforderung erledigen. Also bestellt man die neuen Gartenstühle, die sie unablässig erwähnt und deren Ignorieren einem bis in den Sommer hinein hervorragend gelungen ist. Sagt nette Dinge, «du siehst hübsch aus heute» – tut sie ja wirklich! – und «keine auf der Welt kocht besser als du» – es gibt ja wirklich keine! –, man sollte es viel öfter erwähnen.

Dann die beste Gemütsverfassung abwarten, um ihr den Beschluss als Nur-so-mal-Idee zu verkaufen. «Schatz, hast du eigentlich mit den Ladys wieder mal einen Trip geplant, letztes Mal in Paris hattet ihr doch eine tolle Zeit . . . ? Ich kann dann die Kinder bespassen, macht mir nix aus.» Und beim Einräumen der Spülmaschine, im Tonfall der ganzen Beiläufigkeit, die man aufzubringen imstande ist: «Schatz, mit den Jungs dachten wir darüber nach, mal eine kurze Woche surfen zu gehen. Vielleicht Fuerteventura, einfach mal laut überlegt. Bisschen wie früher.»

Pause, um die Worte wirken zu lassen. Wie lange fünf Sekunden sein können, hängt davon ab, wie rasch man Gläser und Teller verstauen kann. Man war Weltmeister.

«Finde ich prima, Schatz! Das wird dir guttun. Und endlich mal wieder Zeit ganz für mich alleine! Ihr solltet frühzeitig buchen, die Kinder geben wir zu Oma.» Grinst sie etwa? Wie kann man so unsensibel sein und einem seine Entbehrlichkeit dermassen ins Gesicht reiben. Und wieso will sie Zeit für sich, wo er doch extra aufmerksam war. «Danke trotzdem für die Gartenstühle!»