Finanzkrisen kommen und gehen, haben aber ganz verschiedene Ursachen und Folgen. Der klassische Fall sind die Staatsfinanzkrisen als Konsequenz einer übermässigen Verschuldung der öffentlichen Hand. In den alten Zeiten der Hartwährung waren einfach plötzlich die Gold- und Silberkoffer leer, was einen Staatsbankrott heraufbeschwor, der durch Inflation und Entwertung der Währung besiegelt wurde. Staatsfinanz- und Währungskrisen sind somit häufig «Zwillingsschwestern».
Währungskrisen können aber auch ohne übermässige Staatsschulden entstehen, beispielsweise im Falle von strukturellen Handelsdefiziten sowie Devisen- und Kapitalkontrollen bei fixen Wechselkursen. Alle drei Krisen führen einen starken konjunkturellen Einbruch herbei mit fünf- bis zehnprozentigem Rückgang des Bruttoinlandprodukts (BIP) und zwischen einem und drei Jahren Rekonvaleszenz. Zwillingskrisen haben dabei besonders schwerwiegende reale Folgen für Produktion und Beschäftigung.
Bankenkrisen erschütterten vor allem die USA in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts und erreichten mit der Krise von 1907 ihren traurigen Höhepunkt. Nach dem Vorbild der Bank of England errichteten auch die USA eine Zentralbank als lender of last resort. Trotzdem war die Zwischenkriegszeit stark durch immer neue Banken- und Währungskrisen geprägt, ganz im Gegensatz zu der relativ ruhigen Phase zwischen 1945 und 1971, als Bretton Woods kollabierte. In den letzten zwanzig Jahren nahm die Krisenanfälligkeit jedoch wieder markant zu. Die zentrale Ursache ist die Globalisierung der Finanzmärkte in einem dem Goldstandard vergleichbaren Ausmass, aber eben ohne den automatischen Disziplinierungsmechanismus dieses Währungssystems. Kleinere und regional isolierte Bankenkrisen brachen Anfang der neunziger Jahre in Japan und Skandinavien aus. Ende der neunziger Jahre krachte es bei den asiatischen Währungen. Kurz nach 2000 erwischte es wieder einmal Argentinien. Das BIP fiel um zehn Prozent, und die Inflation erreichte schnell zweistellige Zahlen. Argentinien erklärte sich bankrott, handelte mit den Gläubigern markante Schuldenerlasse aus und wertete massiv ab. Danach ging es ziemlich schnell wieder aufwärts, zumindest bis das Land in den alten Schlendrian zurückfiel.
Die grosse Bankenkrise von 2007 hatte ihren Ausgangspunkt wie hundert Jahre zuvor an der Wall Street, mit entsprechenden Konsequenzen. Für viele ideologische und moralische Feinde der Marktwirtschaft war diese grosse Krise der privaten Finanzmärkte der lang ersehnte letzte Beweis des marktwirtschaftlichen Versagens und damit die lang ersehnte Auferstehung der Politik. Diese konnte nun den Spekulanten den Garaus machen und das Ruder wieder selbst in die Hand nehmen. Die hohe Politik und die bessere Moral wollten nun die niedrigeren Marktinstinkte und die nackte Gier überwinden. Doch dieser Sieg der Politik über die Märkte war von kurzer Dauer, weil die Krise der griechischen Staatsfinanzen das gesamte Euro-Land in den Abgrund zu ziehen droht. Für diese Krise sind nun Politiker ganz klar und exklusiv verantwortlich.
Die griechische Wirtschaft wurde seit Jahrzehnten durch eine korrupte Clique beider Parteien geplündert. Unter diesem Schutzschild der Verschwendung von oben hatten die Gewerkschaften im unteren Segment freies und leichtes Spiel, ungehemmt Löhne und Sozialleistungen zu erhöhen, den Staatsapparat aufzublähen und die Lebensarbeitszeit abzubauen. Die Krisen in Skandinavien, Asien oder Argentinien konnten ausgelebt und damit zeitlich und lokal stark begrenzt werden. Das wäre auch bei Griechenland möglich gewesen, wenn die EU nicht vor zehn Jahren den unseligen Beschluss gefasst hätte, eine gemeinsame Währung einzuführen, bevor die wirtschaftlichen Vorbedingungen dafür auch nur ansatzweise erfüllt gewesen wären.
Es sind diesmal nicht die bösen globalisierten Finanzmärkte, die das griechische Virus verbreiten, sondern die politische Vernetzung in einer gemeinsamen Währung ohne verfassungsmässige Grundlage und ohne Sanktionsmechanismen gegen Länder, die gegen die Regeln verstossen. Mittlerweile hat selbst die bisher keusche Europäische Zentralbank ihre Unschuld verloren, indem sie griechische Schrotttitel als Sicherheit annimmt und im Sekundärmarkt Staatsschuldtitel aufkauft. Kein Wunder, dass die Märkte selbst das 750-Milliarden-Rettungspaket nicht ernst nehmen: Hier werden nur neue Schulden der noch besser dastehenden Länder auf diejenigen der bereits faktisch bankrotten Staaten aufgetürmt.
Ein einigermassen gesunder Staat und eine Nationalbank mit solider Bilanz können – wie der Fall der Schweiz zeigt – den Bankensektor retten und einer schnellen Genesung zuführen. Aber an wen kann sich der in Not geratene lender of last resort wenden? Es bleiben zwei Kandidaten: die Inflation und der Staatsbankrott. Bei dieser Krise ist klar die Politik das Problem. Finanzkrisen unter allen Umständen aufhalten zu wollen, kann viel mehr Schaden anrichten, als einer Krise ihren Lauf zu lassen.