Sie sind Sprüngli-Chef und Leiter der Innovationsgruppen. Was heisst das?» – «Ich bin mittlerweile seit einem Vierteljahrhundert bei unserem Familienunternehmen aktiv. Am Anfang war ich Produktionsverantwortlicher, und ich habe damals, getrieben vielleicht von meiner Neugier und Ungeduld, gesagt: ‹Wir müssen innovieren.› Dann habe ich festgestellt, dass das Spass macht und ich dazu irgendwie das Talent habe. In unserer traditionellen Interpretation von Confiserie- und Kaffeehauskultur ist Innovation ein wichtiger Aspekt. Ich fand, es gebe tolle Chancen. Weil ich es nicht alleine kann und möchte, habe ich Arbeitsgruppen gebildet. Und dann haben wir angefangen, Produkte zu entwickeln.» – «Als Aussenstehender denkt man, auf dem Gebiet sei alles erfunden. Es gebe keine Innovation mehr, sondern es handle sich um Marketing, wenn Sprüngli sagt, sie hätten was Neues . . .» – «Wenn Sie es so allgemein betrachten, haben Sie vielleicht recht. Aber wenn Sie die Zukunft betrachten, stehen unserem Planeten und unserer Gesellschaft weitere fantastische Innovationen bevor. Ich seh’s entkrampft: Man muss nicht das Rad neu erfinden, aber man kann bestehende Produkte neu kombinieren, zusammensetzen, aromatisieren. Und zwar dank Beobachtung, Fantasie und Empathie. Das ergibt Innovationen, wie ich sie verstehe.»
Tomas Prenosil, 51, ist CEO und Mitbesitzer der Confiserie Sprüngli, sein drei Jahre älterer Bruder Milan ist Präsident des Verwaltungsrats. Im vergangenen Jahr betrug der Umsatz des Unternehmens mit 900 Mitarbeitern, einem Produktionsbetrieb in Dietikon, vierzehn Verkaufsgeschäften in und um Zürich sowie sieben in weiteren Schweizer Städten – das neuste Geschäft öffnet demnächst im Bongénie-Modehaus in Genf – fast 130 Millionen Franken. Die wichtigsten Umsatzbringer sind die sogenannten Luxemburgerli – eine Art Makronen –, darauf folgen Pralinés und Truffes, andere Confiseriewaren und das Traiteurangebot; Letzteres führte Prenosil Anfang der neunziger Jahre ein. Er ist verheiratet und hat zwei Kinder; der studierte Jurist kam aus der ehemaligen Tschechoslowakei nach Zürich. Tomas und Milan Prenosils Tante Katia Sprüngli war die Frau des vor einigen Jahren verstorbenen Richard Sprüngli, der das Geschäft zwischen 1956 und 1994 als Vertreter der fünften Generation führte. Dieses Gespräch fand statt in Prenosils Büro über dem Café «Sprüngli» am Paradeplatz, das Haus ist seit 1859 im Besitz der Familie.
«Ist Sprüngli ein Lebensmittel- oder ein Lifestyle-Unternehmen?» – «In unseren Verkaufsgeschäften finden unsere Kunden zahlreiche Köstlichkeiten, um sich und andere zu verwöhnen. Wenn man jemandem etwas von Sprüngli schenkt, drückt man damit Wertschätzung aus. Aber auch der Take-away-Bereich mit feinen Sandwiches und Salaten entwickelt sich gut. Auch hier legen wir viel Wert auf einen ausserordentlichen Service. Bei uns geht es immer um Genuss, nicht nur um nackte Verpflegung.» – «Sprüngli gehört Ihnen, Ihrem Bruder und Ihrer Tante – macht es das einfacher oder schwieriger, Dinge zu ändern?» – «Mein Bruder stieg als Marketing-Verantwortlicher in das Unternehmen ein, zwei Jahre später kam ich als Produktionsleiter, wir sind beide Juristen. Wenn wir etwas vorschlugen, mussten wir uns absprechen mit erfahrenen, verdienten Mitarbeitern. Es ging um den Traditionsfaktor, um die Fragen: ‹Passt das zu uns?›, ‹Sind wir dann noch Sprüngli?›, ‹Wie sieht es in zehn Jahren aus?› oder ‹Wie reagiert unsere langjährige Kundschaft?› . . . Das erzeugt Reibung, und das ist gut. Es darf aber nicht zu viel reiben, sonst wird es zu heiss. Neun Jahre später hat sich ein Wandel vollzogen [er wurde CEO – zuvor gab es keinen Vorsitzenden der Geschäftsleitung – und sein Bruder Präsident], dann konnte ich durchdringender aktiv werden, weil ich nicht mehr viel fragen musste.»
«Weshalb kostet eine kleine Schale Rüeblisalat zum Mitnehmen bei Sprüngli sieben Franken?» – «Die Antwort ist, wie bei der Frage nach dem Preis einer Tasse Kaffee: Man muss sehen, was es alles dazu braucht. Der Preis der Rüebli ist der kleinste Teil. Dazu kommen die Kosten des ganzen Drumherums – des sogenannten Sourcing [Beschaffung], der täglich frischen Zubereitung, des Ladenstandorts, der gutausgebildeten, gepflegten Verkäuferin . . . Das ist unser Universum, und das ist etwas wert.» – «Ihre Luxemburgerli, finde ich, sind der Benchmark [Massstab für Vergleich], Ihr Kaffee nicht. Weshalb nicht?» – «Ich bin überzeugt von unserem Kaffee, sonst hätte ich ihn längst gewechselt. Ich finde ihn sehr gut, aber er muss natürlich in erster Linie den Geschmack unserer Kundschaft treffen. Und Genuss ist eine hochemotionalisierte, persönliche Angelegenheit.»
Sein liebstes Restaurant: Bindella, In Gassen 6, Zürich,
Tel. 044 221 25 46