Viele Wege führen zu Gott, kaum einer ist gleich wie der andere. Die 64-jährige Elisabeth Schirmer hatte ihr Erweckungserlebnis am Tag ihrer Konfirmation. Die Verwaltungsrätin des familieneigenen Uhrwerkherstellers Ronda in Lausen BL und ehemalige Bankratspräsidentin der Basellandschaftlichen Kantonalbank hatte als Jugendliche nicht viel mit Religion und Kirche am Hut. Zwar war Elisabeth Schirmers Mutter gläubig und hatte ihr Leben nach der Bibel ausgerichtet, die Tochter aber war in keinem christlichen Jugendverein aktiv, sondern mehr dem Reitsport zugetan und gewann 1976 sogar die Junioren-Schweizer-Meisterschaften im Springreiten.
Glauben Körper, Geist und Seele
Im Alter von sechzehn Jahren hatte sie dann eine Krise, und als sie an der Konfirmation vor dem Pfarrer stand, sandte sie ein Stossgebet zum Himmel. «Ich wollte als freiheitsliebender Mensch keinen einschränkenden Spruch für meinen weiteren Lebensweg erhalten», erinnert sie sich zurück. Unabhängigkeit und Selbständigkeit waren ihr immer schon wichtig und ein grosser Teil ihrer Identität. Und tatsächlich: Der Pfarrer hatte eine Textstelle aus dem Brief des Apostels Paulus an die Philipper für die Konfirmandin parat, in dem sie sich sofort fand: «Freuet euch in dem Herrn allewege! Und abermals sage ich: Freuet euch!»
Ihren Glauben versucht sie so zu leben, dass andere neugierig und aufmerksam werden.
Dieser Moment war für Elisabeth Schirmer wie eine persönliche Berührung. «Und es war für mich der Startschuss, verbindlich mit Gott zu leben, ohne deshalb aber ein besserer Mensch zu sein», sagt sie. Seither bildet die Beziehung zu Gott die Basis, auf der die dreifache Mutter ihr Leben aufgebaut hat. Diese Verbindung beschreibt sie als Freundesbeziehung, in der Vertrauen und Ehrlichkeit zentrale Werte seien. «Ich darf auch Fehler machen, was sehr wichtig ist.» Denn Gnade, Vergebung und Neuanfang gehören genauso zu der Art Glauben, den die Wirtschaftswissenschaftlerin lebt. Die Gottesbeziehung ist für sie aber nicht einfach eine Theorie wie die Religion oder eine Institution wie die Kirche. Ihr geht es darum, im Glauben Körper, Geist und Seele zusammenzubringen. Das beinhaltet für sie, die die protestantische Staatskirche und eine Freikirche besucht, eine gesunde Portion Egoismus. «Nur wenn ich inneren Frieden habe, bin ich auch bereit für die Aufgaben im Leben», davon ist sie überzeugt.
Seit 44 Jahren lebt Elisabeth Schirmer nach ihrem Lebenskonzept, das sie «3B» nennt: Belong, Believe und Behave. Dabei geht es um Zugehörigkeit und Heimat, um Glauben und Werte sowie um aktives Gestalten. Die Unternehmerin bezeichnet das Konzept auch als System der logischen Ebenen, auf denen sie sich immer wieder findet, wenn sie sich mit einem Problem konfrontiert sieht, sei es privat oder im Unternehmen. «Das eigentliche Kraftfeld erlebe ich im Sein vor Gott, und erst anschliessend kommt die Aktivität», führt sie aus. Zu ihrem Alltag gehört auch das Lesen der Bibel – in der Regel nur kurze Abschnitte auf Papier oder in einer App, über die sie nachdenkt und die sie auf sich wirken lässt. «Daraus schöpfe ich eine unglaubliche Kraft.» Elisabeth Schirmer betet aber nicht etwa standardisiert zur immergleichen Zeit am Tag oder an einem bestimmten Ort, sondern ist im Gespräch mit Gott. «Das kann überall sein – auch im Auto oder vor einer schwierigen Sitzung.»
Missionieren ist nicht ihre Sache
«Nur wenn ich inneren Frieden habe, bin ich auch bereit für die Aufgaben im Leben.»
Dieser starke Glauben kam ihr auch 1985 zugute: Als ihr Vater und Firmenpatron William Mosset überraschend starb, musste Elisabeth Schirmer zusammen mit ihrem Mann praktisch von einem Tag auf den anderen die Verantwortung für das Unternehmen und mehr als tausend Mitarbeitende in der Schweiz und in Asien übernehmen. Ronda stellt mechanische Uhrwerke und Quarzuhrwerke her und verkauft sie im Business-to-Business-Bereich an Kunden, die Markenuhren produzieren. Zwar war Elisabeth Schirmer schon drei Jahre zuvor in die Firma eingetreten, auf diesen Schritt war sie trotzdem nicht vorbereitet gewesen. Drei Jahre später übernahm dann ihr um drei Jahre jüngerer Bruder die CEO-Position, nachdem er noch sein ETH-Studium abgeschlossen hatte. Von langer Hand geplant war dafür später die Stabübergabe an die dritte Generation: Seit 2018 leitet Elisabeth Schirmers Sohn Fabien das unabhängige Unternehmen.
Missionieren ist nicht die Sache von Elisabeth Schirmer. Vielmehr versucht sie ihren Glauben so zu leben, dass andere neugierig und aufmerksam werden. «Es kommt doch recht häufig vor, dass mich jemand fragt, woher ich meine Kraft nehme», erklärt sie. Ihre eigenen Erfahrungen und Begegnungen mit Gott hält sie seit 1996 schriftlich fest. Seither sind mehr als 220 sehr persönliche Einträge zusammengekommen. «Da schreibe ich nieder, wenn ich etwas Bewegendes mit Gott erlebe.» Ein Spruch von Martin Schleske, deutscher Geigenbauer und geistlicher Schriftsteller, zum Thema «Rahmensprengen» leitete 2018 eine Loslösungsphase ein.
«Ich wusste sofort, dass dieser Satz für mich zentral sein würde», sagt Elisabeth Schirmer. Er lautet: «Zu wissen, dass mein Leben anders sein darf, als ich es mir wünsche, und zu wissen, dass Gott anders sein darf, als mein Glaube es ihm erlauben will, das ist die Verneigung meiner Seele vor Gott.» Da stellte sie fest: Loslassen ist angesagt. «Alle Menschen schleppen ihren Rucksack mit, den man hin und wieder leeren sollte.» Im Englischen werde zwischen luggage, das nötig sei, und baggage, das Ballast darstelle, unterschieden. Dieses Sinnbild gefalle ihr sehr gut. Und Loslassen habe auch mit Vergebung zu tun.
Ewigkeitsperspektive
Die grösste Prüfung wartete am 28. Februar 2020 auf die Unternehmerin: Damals wurde sie von einem Schnupfen geplagt und hatte, als sie in der Küche stand, einen heftigen Reizhustenanfall. Sie musste derart stark husten, dass es eine Art Schlag auf den Rücken gab. «Dann bin ich zusammengebrochen, nichts ging mehr», schildert sie den dramatischen Moment im Rückblick. Sie wurde zuerst ins nahegelegene Spital Liestal gebracht, dann ins Universitätsspital Basel. Doch nach einem MRI von eineinhalb Stunden Dauer herrschte grosse Ratlosigkeit über den Befund. «Die Schmerzen waren heftig, der Unterkörper war ohne Gefühl», sagt sie. Gleichzeitig habe sie aber eine innere Ruhe und Frieden gespürt und keine Angst gehabt. «Mein Gottvertrauen diente mir als Ruhestätte.»
Vor der Anästhesie ergriff sie die Hände der zwei operierenden Spinalchirurginnen, betete und stellte sich gewissermassen unter Gottes Schutz. «Jetzt war ich bereit für den Eingriff», beschreibt Elisabeth Schirmer ihren damaligen Zustand. Vier Fortsätze der Wirbelsäule wurden teilentfernt, das gestockte Blut aus dem Spinalkanal abgesaugt. Die Rekonvaleszenz zwang sie kurzfristig in den Rollstuhl und ins Paraplegikerzentrum Basel. Weil bei der OP zwei Nerven beschädigt wurden, sind gewisse neurologische Probleme geblieben. Heute sieht man ihr trotz irreversiblen Beweglichkeitseinschränkungen nichts mehr an. Nur joggen kann sie nicht mehr. Und sie ist frei von Schmerzmitteln.
In der schwierigen Phase ist das Verhältnis von Elisabeth Schirmer zu Gott noch intensiver geworden. Dabei habe sie fast nie nach dem Warum gefragt, nur nach dem Wozu – und die Erfahrung gemacht, dass die Wüste blühen könne. Auch die Ewigkeitsperspektive habe ihr geholfen. «Ich weiss mich von Gott geliebt», sagt sie voller Überzeugung. Ihre Lebensfreude drückt sie auch beim Malen aus und in ihrer Rolle als Grossmutter. Als Klammer für ihr ganzes Leben bezeichnet die 64-Jährige einen Spruch aus dem 5. Buch Mose: «Der Herr aber, der selbst vor euch hergeht, der wird mit dir sein und wird die Hand nicht abtun und dich nicht verlassen. Fürchte dich nicht und erschrick nicht!» «Das Wissen, dass jemand über mir steht, gibt mir Ruhe und Gelassenheit.» Wie man Glauben und Unternehmertum verbinden kann, bringt sie Interessierten in Vorträgen näher. An einem Anlass des Forums christlicher Führungskräfte referiert sie zum Beispiel am 2. September in Winterthur über das Thema Social Entrepreneurship. «Doch alle Theorien sind nur so viel wert, wie sie in der Praxis taugen», sagt sie realistisch.
Die Weltwoche ist Medienpartnerin des Forums christlicher Führungskräfte, das am 2. September 2022 in Winterthur stattfindet. An dem Anlass wird Elisabeth Schirmer über soziales Unternehmertum sprechen. Weltwoche-Leser erhalten unter Angabe des Rabattcodes «FcF2022-Weltwoche» zehn Prozent Ermässigung auf die Teilnahmegebühr. christliches-forum.ch
Ein schönes Bekenntnis zu Gott. Frau Schirmer ist das lebendige Beispiel, wie ein starker Glaube an Gott Hilfe und Zuversicht in einer grossen und verantwortungsvollen Aufgabe geben kann. Weiterhin alles Gute, liebe Frau Schirmer!
Herzlichen Dank für diesen mutmachenden Erlebnisbericht über das Urvertrauen in Gott, das auch in schwersten Lebensprüfungen durchgegraben hat. Gerade heute sind die meisten Menschen verunsichert über dem, was um uns herum geschieht und da ist ein Urvertrauen in Gott eine grosse Hilfe. Aus eigener Erfahrung kann ich als ehemaliger Unternehmer nur bestätigen, dass dieses Urvertrauen auch in schwierigen Zeiten durchgegraben hat.
Jemand der es noch wagt zu seinem christlichen Glauben zu stehen, eine grosse Erfreulichkeit in der heutigen Woke Zeit, Gratulation, weiter so.
Ehrlich, authentisch! Herzlichen Dank!
Die Weltwoche ist einzigartig vielseitig in der Medienlandschaft! Freue mich immer wieder daran, dass der christliche Gottesbezug Seinen Platz hat. Danke.
Danke, Frau Schirmer. Ich wüsste nicht, wie ich in diesen Zeiten OHNE meinen Glauben an Gott und sein Gnadengeschenk, Jesus Christus, als stellvertretendes Sühneopfer, leben könnte.
Es lohnt sich, im Leben immer mal wieder Gedanken über Gott zu machen, Es kann einem schrittweise näher zu Gott führen.
Den Spöttern würde ich Psalm 2 empfehlen
das macht sie mir sympathisch!
Danke. Was für eine inspirierende Frau!
Die Weltwoche ist einzigartig vielseitig in der Medienlandschaft! Freue mich immer wieder daran, dass der christliche Gottesbezug Seinen Platz hat. Danke.
Jemand der es noch wagt zu seinem christlichen Glauben zu stehen, eine grosse Erfreulichkeit in der heutigen Woke Zeit, Gratulation, weiter so.
Hatt diesen Gott denn irgendjemand der hier Anwesenden jemals schon gesehen? Oder sind das alles Einbildungen?
Meditieren Sie mal über die beiden Begriffe "wissen" und "glauben". Wer weiss, vielleicht erkennen Sie dann den Unterschied und verschonen uns künftig mit solchen sinnfreien Fragen...
Schön, wenn es bei ihr klappt, ich hab angesichts der Entwicklungen der letzten Jahre jedes Gottvertrauen verloren!
@ aliasmailster
Verständlich. Ich will kein Blabla machen, nur soviel: Alles hat seinen Sinn, auch wenn man ihn (noch) nicht versteht. Für jedes Lebewesen und auch für Sie ganz persönlich. Meist erkennt man ihn erst im nachhinein oder vielleicht erst nach dem Ableben des Körpers Und: Der Mensch hat den Lebenskampf zu führen, wie jedes Tier und Pflanze, aufgeben ist keine Option! Das Gegenteil von Vertrauen ist nicht Angst sondern Liebe. Wer die Verbindung zur Quelle trennt, schadet sich selber.
Korrektur zu meinem Kommentar an Sie: Das Gegenteil von Angst ist nicht Vertrauen, sondern Liebe.
Ich hab darüber nicht den Glauben an Gott, sondern in die Menschen verloren.
Der Mensch denkt und Gott lenkt. Wir haben den freien Willen bekommen, müssen dafür aber auch die Verantwortung tragen.
@aliasmailster: warum? Sie hätten gescheiter das Vertrauen in die Menschen verloren.
Ein Konfirmandenspruch, der nicht "enttäuscht" hat, als Erweckungserlebnis??
... was es nicht alles gibt...
Inneren Frieden, Urvertrauen und vieles mehr kann man sich auch aus ganz vielen anderen Büchern als der Bibel holen (Märchen, gute Kinderbücher, philosophische Schriften etc.)
Ich würde ja mal mit diesem "Gott" ein Bier trinken und ihn fragen, wie er es seit Menschengedenken schafft, sich in die Köpfe zu setzen. Leider hat ihn ja noch nie jemand auch nur im Ansatz gesehen.
Ich sehe Sie ja jetzt auch nicht und kann mir (leider) trotzdem inetwa ein Bild über Sie machen...🤦♀️
Aber wenn Sie sich die Mühe machen würden wenigstens das Johannes Evangelium und allenfalls den Römerbrief zu studieren, würden Sie erkennen, dass der lebendige GOTT zu Ihnen spricht.
Es gibt viele Wege zim Glauben, das stimmt. Aber noch lange kein Grund, die Bibel und den Weg dieser wunderbaren Frau do arrogant lächerlich zu machen. Glauben und glauben lassen!
Zynismus ist wohl das Letzte in Ihrem Kommentar.
Ein schönes Bekenntnis zu Gott.
Frau Schirmer ist das lebendige Beispiel, wie ein starker Glaube an Gott Hilfe und Zuversicht in einer grossen und verantwortungsvollen Aufgabe geben kann.
Weiterhin alles Gute, liebe Frau Schirmer!
Ehrlich, authentisch! Herzlichen Dank!
Herzlichen Dank für diesen mutmachenden Erlebnisbericht über das Urvertrauen in Gott, das auch in schwersten Lebensprüfungen durchgegraben hat. Gerade heute sind die meisten Menschen verunsichert über dem, was um uns herum geschieht und da ist ein Urvertrauen in Gott eine grosse Hilfe. Aus eigener Erfahrung kann ich als ehemaliger Unternehmer nur bestätigen, dass dieses Urvertrauen auch in schwierigen Zeiten durchgegraben hat.
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Danke, Frau Schirmer. Ich wüsste nicht, wie ich in diesen Zeiten OHNE meinen Glauben an Gott und sein Gnadengeschenk, Jesus Christus, als stellvertretendes Sühneopfer, leben könnte.
Es lohnt sich, im Leben immer mal wieder Gedanken über Gott zu machen, Es kann einem schrittweise näher zu Gott führen.
Den Spöttern würde ich Psalm 2 empfehlen