Die unerschütterliche Loyalität, die Jill Biden ihrem Ehemann entgegenbringt, ist bewundernswert. Sie glaubt fest an ihren Joe, come rain or shine. Von seinen Jahren als Senator bis hin zur Präsidentschaft hat die immer tadellos auftretende ehemalige Lehrerin mit Bachelor-Abschluss sowie zwei Master-Abschlüssen und einem Doktortitel in Erziehungswissenschaften ihn stets begleitet und unterstützt. Sie war auch an seiner Seite, als er mit dem Verlust seiner ersten Frau und seiner Tochter konfrontiert war und später den Tod seines Sohnes Beau durch Krebs erlebte. Solche Tragödien, wenn sie ein Paar nicht brechen, schweissen noch enger zusammen. Kennengelernt haben sich die beiden an einem von Joes Bruder arrangierten Blind Date.

Das ist eine epische Liebesgeschichte, ich finde sie wunderschön. Und frage mich darum als ferne Beobachterin umso mehr, warum Jill Biden nicht endlich einen Schlussstrich unter die öffentlichen Blamagen ihres Mannes zieht und ihm hilft, seine Grenzen zu akzeptieren. Er würde vermutlich auf sie hören; laut Quellen hat sie grossen Einfluss auf den 81-Jährigen und spielte auch eine entscheidende Rolle bei seiner erneuten Kandidatur. Warum lässt sie zu, dass er sich – in seiner Rolle als mächtigster Mann der USA – zum Gespött macht? Welche persönlichen Ambitionen halten sie davon ab, ihrem Gatten einen würdevollen Abschied aus dem Weissen Haus zu ermöglichen?

Warum macht sie nicht endlich einen Schlussstrich unter die Blamagen ihres Mannes?

Denn diesen hat er offensichtlich verpasst. Seine öffentlichen Fehltritte häufen sich und sind selbst für eine Schweizerin ohne grosse Biden-Sympathien schmerzhaft mitanzusehen; er stolpert, stürzt, hat mentale Aussetzer und wirkt altersschwach. Von Energie keine Spur. Seine Performance gleicht einem Gang auf dünnem Eis, wo jeder Schritt riskant ist. Menschen, die ihm wohlgesinnt sind, sagen, sie halten den Atem an, wenn er eine Flugzeugtreppe erklimmt, eine Rede ohne Teleprompter hält oder von einer Bühne hinabsteigt. Die Frage, ob er für das höchste Amt im Staat geeignet ist, hat sich für viele beantwortet. Selbst George Clooney («Ich liebe Joe Biden») empfiehlt ihm den Rückzug. Wenn das für Jill nicht der ultimative Weckruf ist, dann weiss ich auch nicht.

Dass sie aus Machtgier seine desaströsen Auftritte ignoriert und an seiner Kandidatur festhält (und ihn entsprechend manipuliert, wie einige behaupten), glaube ich nicht. Als 73-jährige Frau strebt man nicht mehr nach Macht und Einfluss, vor allem, wenn man bereits alles erreicht hat, was man sich wünschen kann. Der erhabene Lebensstil einer First Lady? Den dürfte sie auch ohne die mit seiner Präsidentschaft verbundenen Annehmlichkeiten geniessen. Bidens Vermögen wird auf etwa zehn Millionen Dollar geschätzt. Um jeden Preis Trump verhindern? Das könnte man vielleicht auch mit einem anderen Kandidaten – auch wenn es in der jetzigen Situation nach dem Attentat auf den ehemaligen Präsidenten schwerer geworden sein dürfte.

Möglicherweise ist es eher so, dass sie die Anzeichen von Schwäche und Überforderung bei ihrem Gatten sieht, aber eine Trotzreaktion verhindert, dass sie diese Realität akzeptiert. Oft neigen Menschen dazu, Schwächen bei ihren Partnern zu verdrängen, besonders wenn sie gemeinsam grosse Herausforderungen bewältigt und beeindruckende Erfolge erzielt haben. Für Jill mag es schwer sein, nach all den gemeinsamen Kämpfen das Handtuch zu werfen und zuzugeben, dass es Zeit ist, die Bühne zu verlassen. In ihren eigenen Worten: «Wegen eines einzigen Abends» aufzugeben, käme wohl einem Verrat an ihrer gemeinsamen Geschichte gleich.

Stattdessen redet sie lieber seine Schwächen schön und lobt ihn nach dem TV-Duell: «Du hast jede Frage beantwortet!», und macht es noch schlimmer. Das zeigt, wie stark emotionale Bindungen das Urteilsvermögen trüben können. Vielleicht tut sie nur das, was ihre Rolle als Ehefrau erfordert. Aber die Rolle als First Lady bringt andere Verantwortungen mit sich und ist auch mit einer moralischen Verpflichtung verbunden. Denn es geht nicht nur um das Wohl ihres Mannes, sondern um das grössere Bild. Eine Führungsperson sollte sowohl körperlich wie auch geistig in der Lage sein, ihr Amt zu meistern. Als starke Frau müsste sie wissen, wann es Zeit ist, sich von einem Projekt zu verabschieden – besonders aufgrund ihrer gemeinsamen Liebesgeschichte.

 

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