Haben Sie sich schon einmal gefragt, warum der Fussballverband Fifa in der Schweiz das Hornussen nicht subventioniert? Oder wieso Spotify nicht in unsere heimische Ländlermusik investiert? Ich mich bis jetzt auch nicht. Wer aber die «Lex Netflix» befürwortet, müsste sich diese Fragen eigentlich gestellt haben.

Laut dem neuen Filmgesetz, bekannt als «Lex Netflix», sollen Streaming-Dienste wie Netflix, Amazon oder Disney dazu verpflichtet werden, künftig jährlich 4 Prozent ihrer Schweizer Einnahmen in hiesige Filmproduktionen zu investieren. Auch müssen sie 30 Prozent europäische Produktionen zeigen – damit soll europäisches Kulturschaffen gefördert werden. Helvetische Filmemacher können also – in Ergänzung zu den Steuersubventionen – auf geschätzte achtzehn Millionen Franken Geldsegen hoffen. In die Quere kommen könnte ihnen allerdings das Referendum gegen das neue Filmgesetz, das die Jungparteien von FDP, SVP und GLP heute einreichen.

Befürworter dieser Zwangsinvestition erhoffen sich damit einen Aufschwung des heimischen Films und berufen sich auf das Ausland: Italien, Frankreich oder Belgien müssen die Abgabe längst leisten. Für meinen Geschmack besitzt Letzteres allerdings die etwas kindliche Note à la «Wenn der Nachbar das hat, dann will ich es auch!». Grossbritannien und Österreich kennen die Pflichtabgabe nicht.

Ich kann mir zwar vorstellen, dass mit den zusätzlichen Einnahmen mehr Filme geschaffen werden, aber es ist wie mit so vielem: Mehr Geld garantiert nicht mehr Qualität. Auch nicht unbedingt mehr Innovation oder spannende Plots im Schweizer Filmgenre, die mehr Zuschauer ins Kino locken würden. Aber gut, wenn ich ein Argument für die «Lex Netflix» anbringen müsste, dann vielleicht dieses: Weil die Abgabe nicht in die staatliche Filmförderung fliesst, sondern die Unternehmen bei den Produktionen direkt mittun sollen, könnte es ja eine Chance sein. Netflix mit seinem Know-how und den ausgeklügelten Analysemodellen weiss, was funktioniert und was nicht, erkennt Potenzial, wenn es vorhanden ist. Von Produktionen, wo einer verklärt in ein Alphorn bläst, würde es wohl eher die Finger lassen, sich hingegen bei Projekten einbringen, die den Massengeschmack treffen.

Netflix ist stark «Viewer-getrieben», die Datenanalyse steht im Zentrum. Brechen die Views etwa bei Serien ein, werden sie häufig, ohne mit der Wimper zu zucken, eingestellt. Das ist die DNA von Netflix, und sie steht jener von Kulturschaffenden eigentlich diametral entgegen, bei denen man – teilweise – das Gefühl hat, dass sie ihre Werke vor allem für sich selbst und für eine kleine Gruppe eingefleischter Fans kreieren.

Nichts gegen das Motto «Wir machen das, wozu wir Lust haben, egal, ob das jemand sehen will»; nur, wenn deine persönlichen Kulturdenkmäler mit Steuergeldern subventioniert werden, ist’s halt ein bisschen ungünstig. Wer Nischenprodukte herstellt, kann nicht erwarten, dass es alle anderen mitfinanzieren – um ihnen zum Erfolg zu verhelfen. Realität ist, dass manche Schweizer Filme, die mit viel Geld gefördert wurden, finanzielle Flops waren. Und da könnte eben ein globales Produktionsunternehmen vielleicht dazu beitragen, den Schweizer Film mainstreamiger zu gestalten. Ob das heimische Kino überhaupt massentauglich daherkommen möchte, ist die andere Frage.

Aber Chance hin oder her, aus liberaler Sicht ist es grundsätzlich problematisch, Unternehmen Angebotskatalog und Investitionspolitik vorschreiben zu wollen, nur weil, blöd gesagt, das eigene Modell nicht optimal funktioniert. (Und es wunderte mich nicht, wenn als Nächstes dann gefordert würde, Netflix müsse die einheimischen Filme unter seinen «Top Ten» einreihen, damit sie besser geschaut werden.) Es ist nicht die Aufgabe des amerikanischen Giganten, mit einer Art Welpenschutzabgabe dafür zu sorgen, dass das Schweizer Kulturgut konkurrenzfähiger ist oder auf breiteres Publikum stösst.

Das wäre etwa ähnlich, als würde man vom Audio-Streaming-Dienst Spotify fordern, einen Prozentanteil seiner Einnahmen in der Schweiz an die hiesige Ländlermusik abzugeben. Oder die Fifa zur Zwangsabgabe ans Hornussen zu verpflichten. Hornussen ist ja wie Fussball eine Sportart, aber mit sehr kleinem Publikum. Man könnte argumentieren, dass die Fifa aufgrund der grossen Fussballbegeisterung in unserem Land hohe Einnahmen erzielt und das traditionelle Hornussen wegen des ledernen Balls noch weniger Interessierte anzieht. Warum gibt es keine «Lex Fifa», von der das Hornussen profitieren kann?

Der Denkansatz sollte doch genau umgekehrt sein: Wenn das Schweizer Filmschaffen innovative Wege geht und regelmässig ein sehr breites Publikum begeistert, möchten Investoren aus Überzeugung mitfinanzieren. Geschieht es aus Zwang, wälzen die Anbieter ihre Kosten mit hoher Wahrscheinlichkeit einfach auf die Konsumenten ab, die Abos von Netflix und Co. würden in der Schweiz teurer werden. Indirekt bezahlen wir dann für Filme, die wir gar nicht schauen wollen. Und dieses leidige Thema hatten wir doch schon an anderer Stelle durch, nicht lange ist’s her.

 

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