Bei Beat Jans, dem Vorsteher des Justiz- und Polizeidepartements (EJPD) regiert die Intransparenz. Jans, der sich selten im Parlament zeigt, lässt die Räte immer öfters im Dunkeln tappen. So sehr, dass Nationalräten der Kragen geplatzt ist. In der Staatspolitischen Kommission (SPK-N) hat sich unlängst Widerstand geregt, wie die Sonntagszeitung am vergangenen Wochenende informierte.

Im September gelangte die Kommission mit einem Protestschreiben an den SP-Bundesrat. Von Jans verlangen sie, besser über die Asylentwicklungen informiert zu werden. Federführend dabei war SVP-Nationalrätin und SPK-Mitglied Martina Bircher. «Im Departement Jans herrscht Intransparenz vor», sagt sie gegenüber der Weltwoche. Dem Asylminister wirft sie vor, mehrfach wichtige Informationen vorenthalten zu haben. Etwa beim Missbrauch des Schutzstatus S durch die Roma. Oder auch im Zusammenhang mit der Entscheidung, weiblichen Flüchtlingen aus Afghanistan dauerhaft Asyl zu gewähren.

Birchers Brief unterstützt einzig EVP-Nationalrat und SPK-Mitglied Marc Jost nicht. Jost sagt: «Das EJPD informiert uns sehr gut. Alle SPK-Mitglieder erhalten im Zweiwochentakt ein Update zu den neusten Migrationsentwicklungen in Europa und der Schweiz.» Der EVP-Politiker spricht von einer «Kampagne von rechts». Zwar müsse über Lösungen in der Asylproblematik geredet werden, doch die Debatte sei aus dem Ruder gelaufen. «In Klima- und Landwirtschaftsthemen, die in der Verantwortung der SVP-Bundesräte Guy Parmelin und Albert Rösti liegen, werden wir zum Beispiel nicht so proaktiv informiert.»

 

«Die Passivität ist ernüchternd»

Unmut wird auch in der SP spürbar. Die Parteikollegen von Jans fordern ebenfalls mehr Transparenz, halten sich mit öffentlicher Kritik aber zurück. Der Waadtländer SP-Nationalrat und SPK-N-Mitglied Jean Tschopp, der Birchers Antrag unterstützt, sagt: «Der Asylminister hat in den zwei ausserordentlichen Asylsessionen den Parlamentariern immer Rede und Antwort gestanden. Dabei ist Jans stets ruhig geblieben.»

Ärger macht sich auch im Stöckli breit. «Jans ist in diesem Jahr bloss zweimal in die SPK-S gekommen», sagt die St. Galler SVP-Ständerätin Esther Friedli. Auch sie kritisiert die Informationspolitik aus Jans’ Departement und dessen häufige Abwesenheiten. «Die Passivität ist ernüchternd.» Friedli hat in einer Motion verlangt, abgewiesenen Asylsuchenden den Familiennachzug zu untersagen. Ärgerlich ist für sie, dass das EJPD gemäss Blick-Recherchen offenbar noch gewillt gewesen war, den Schutzstatus S auf vorläufig Aufgenommene auszudehnen. Diese Darstellung wies Jans’ Departement zurück und sprach lediglich von punktuellen «Anpassungen». Klar ist: In der Migrationspolitik gerät Jans in Clinch mit dem Parlament.

So will der Ständerat den Schutzstatus S einschränken. Dieser soll künftig nicht mehr automatisch für alle ukrainischen Flüchtlinge gelten. Im Herbst entschied der Nationalrat zudem, das Recht auf Familiennachzug für vorläufig Aufgenommene abzuschaffen. Der Druck auf den SP-Bundesrat nimmt zu. Justizminister Jans, ausgebildeter Umweltnaturwissenschaftler an der ETH, tut sich zusehends schwer.

Im EJPD gibt es weitere Baustellen. Zentrale Positionen müssen neu besetzt werden. Fedpol-Chefin Nicoletta della Valle wird Anfang 2025 abtreten. Sie hinterlässt viel verbrannte Erde. Zudem kassiert sie eine Abgangsentschädigung von 340 000 Franken. Nach wie vor ist unklar, wer ihre Nachfolge antreten wird. Das Gleiche gilt für SEM-Chefin Christine Schraner Burgener, die Ende 2024 abtreten wird. Für beide Stellen sind Findungskommissionen einberufen worden. Doch auch hier herrscht viel Intransparenz.

«Über den Stand der Dinge sind wir nie informiert worden», sagt Bircher über die Arbeit der Kommission, die sich um die Besetzung des SEM kümmert. Ihr gehören fünf Mitglieder an. Darunter auch der frühere FDP-Ständerat Philipp Müller. Den Vorsitz hat Nora Bertschi inne, Generalsekretärin im EJPD. Auch in dieser zentralen Schaltstelle in Jans’ Departement ist Bewegung im Spiel. Seit September führt Bertschi, die zuvor die Leitung innehatte, das Generalsekretariat gemeinsam mit Sebastian Kölliker. Ein Novum. Gemeinsam arbeiten sie je 90 Prozent. Jobsharing an der Spitze des Departements von Beat Jans.

 

Fast identische Lebensläufe

Die 38-jährige Bertschi hat Rechtswissenschaften an der Universität Basel studiert und an der Universität Zürich eine Doktorarbeit zum Thema Leihmutterschaften geschrieben. 2013 bis 2017 sass Bertschi, die Mutter von vier Kindern ist, im Grossen Rat von Basel-Stadt für die Grüne Partei. Dort beschäftigte sie sich vor allem mit Vorstössen zu Ökologie- und Genderthemen. Nach ein paar Jahren bei der Kesb war Bertschi stellvertretende Leiterin des Amtes für Sozialbeiträge. Von 2021 bis Anfang 2024 war sie im Generalsekretariat des Präsidialamtes des Kantons Basel-Stadt für den damaligen Regierungspräsidenten Jans tätig.

Fast identisch ist der Lebenslauf von Kölliker, der von 2021 bis Anfang 2024 gemeinsam mit Bertschi als Generalsekretär im Präsidialamt gewirkt hatte. Zuvor war der heute 34-Jährige ebenfalls Mitglied des Grossen Rates, wo er für die SP politisierte. Kölliker, Vater von einem Kind, hat Philosophie und Soziologie studiert.

Die Personalien Bertschi und Kölliker sind ein Abbild von Jans’ Universum. Es ist eine progressive, linksliberale, städtische Welt, die den Justizminister umgibt. Und sie ist sehr baslerisch. Einen Leistungsausweis bringen die Spitzenbeamten beide nicht mit. Dafür umso mehr soziales Kapital, das ihnen geholfen haben dürfte, in die wichtige Position zu gelangen.

An der Familie Bertschi sieht man, wie der linke Filz im Grossraum Basel spriesst.

An der Familie Bertschi sieht man, wie der linke Filz im Grossraum Basel spriesst. Bertschi, ursprünglich in Möhlin im Kanton Aargau aufgewachsen, ist die Tochter von Peter Bertschi, der in der SP wirkte und einst als Tages-Anzeiger-Journalist und Mitglied der Chefredaktion von Radio SRF tätig gewesen war – an letzterem Ort arbeitete auch Oliver Washington, bevor ihn Jans als Kommunikationschef verpflichtet hat.

Bertschis Mutter Andrea Bertschi-Kaufmann hat lange als Lehrerin und Professorin für Literatur und Deutschdidaktik gewirkt. Dabei soll sie in ihren Deutschlektionen die Frauenfrage so stark bewirtschaftet haben, dass es teilweise sogar den Frauen ausgehängt habe. Bertschis Nichte Claudia Kaufmann war die erste Leiterin des Eidgenössischen Gleichstellungsbüros, danach Generalsekretärin des Departements des Inneren und Ombudsfrau der Stadt Zürich.

Ihr Bruder, der Medienjurist Manuel Bertschi, ist gemeinsam mit dem Unternehmer und Journalisten Hansi Voigt im Vorstand des Vereins Bajour, wo seine Schwester Nora 2021 noch als Hoffnungsträgerin der Grünen in den siebten Himmel hochgeschrieben wurde. Manuel Bertschi war zudem erster Co-Geschäftsführer des medienkritischen Vereins Fairmedia, der Geld für die Anwalts- und Gerichtskosten von Jolanda Spiess-Hegglin eingeworben hatte. Auch Noras Vater Peter, der gerne vor Fake News warnt, wirkt beim Verein mit, 2021 wurde er in den Vorstand gewählt. Erster Präsident von Fairmedia war kein geringerer als Beat Jans, womit sich der Kreis wieder schliesst.

 

Unterwegs im Paralleluniversum

Im Vergleich zu den Generalsekretären in anderen Departementen, die allesamt fünfzig Jahre oder älter sind, sind Bertschi und Kölliker mit Abstand die jüngsten Funktionäre in dieser Position. Jungsein muss kein Handicap sein. Damit bestehe keine Gefahr, dass es zu Schattenbundesräten komme, hört man aus dem Umfeld des EJPD. Ähnlich betrachtet das SP-Nationalrat Jean Tschopp. Er sieht kein Problem in der Besetzung des Generalsekretariats. «Jans braucht Leute, denen er Vertrauen kann.» Ein junges Alter und wenig Erfahrung in Bern seien hier nicht matchentscheidend. Was sagt das EJPD: «Bundesrat Beat Jans hat mit beiden bereits früher zusammengearbeitet und hat volles Vertrauen», erklärt Sophie Roselli von Jans’ Pressestelle.

In Bern hört man auch andere Stimmen. Jans lebe in einem Paralleluniversum, heisst es. Er habe kein Gespür für das Parlament. Er sei «nicht gut beraten», schrieb der Blick unlängst. Die Frage, die sich immer mehr stellen, lautet: Ist das Team des Asylministers, der selbst schon am Schwimmen ist, eigentlich geeignet, um in Bern seinen Platz zu finden? Zweifel werden lauter.

«Lehrlinge dienen einem Lehrling zu», schrieb Nebelspalter-Chefredaktor Markus Somm jüngst über die Rolle der beiden Co-Generalsekretäre. Ein Nationalrat, der nicht mit Namen genannt werden möchte, sagt: «Jans ist nicht dossiersicher. Das sah man bei der Praxisänderung bei weiblichen Flüchtlingen aus Afghanistan, von denen viele in der Schweiz inzwischen nicht mehr befristet, sondern dauerhaft Asyl gewährt wird. Jans war das gar nicht bewusst.»

Bertschi und Kölliker, sozialisiert in einem links-urbanen Milieu, ohne jegliche Erfahrung in Bern, werden Jans kaum auf die Sprünge helfen können.