Er steht breitbeinig vor der Truppe, stellt knappe Fragen, inszeniert sich nicht – und vor allem: Er ist ein Mann.
Was sich dieser Tage bei den deutschen Sozialdemokraten abspielt, ist ein Paradebeispiel dafür, dass Politik in einem eigenen Kosmos mit einer eigenen Logik lebt, die mit der Welt draussen wenig zu tun hat: Die SPD-Spitze steht (noch?) fest hinter Kanzler Olaf Scholz als Kanzlerkandidat und will von einem Wechsel zum beliebten Verteidigungsminister Boris Pistorius nichts wissen.
Mit anderen Worten: Der nahezu unbeliebteste Politiker des Landes (Platz 19 von 20) soll die SPD zum Sieg führen, während der beliebteste brav abseits im Glied steht.
Doch warum ist ausgerechnet Pistorius, der sich entgegen der Mehrheitsmeinung klar für Waffenlieferungen an die Ukraine und harte Kante gegen Russland ausspricht, überhaupt so beliebt? Er ist wie Scholz in Osnabrück geboren, ist Jurist und zählte bislang ebenfalls nicht zu den auffälligen Charismatikern der deutschen Politik. Auch Pistorius fiel bei der Wahl des Parteivorsitzenden 2019 analog zu Scholz mit seiner Partnerin durch und ist im Gegensatz zum Kanzler noch nicht einmal zwei Jahre auf der bundespolitischen Bühne präsent.
Pistorius Pre: Er ist allürenlos, uneitel und wirkt völlig unverbogen. «Vorgängerin Christine Lambrecht, die gern in Stöckelschuhen vor der Truppe erschien, stand im Poltikerranking auf dem letzten, dem 20. Platz», sagt Meinungsforscher Hermann Binkert (Insa). «Im ersten Politikerranking nach seiner Ernennung zum Bundesverteidigungsminister im Januar 2023 landete Pistorius auf Platz eins, wo er bis heute steht.» In Umfragen sind 72 Prozent der Deutschen mit Scholz unzufrieden, Pistorius’ politische Bilanz nehmen sie meistens nicht einmal wahr.
«Es ist nicht der Waffenlieferant, der da bewertet wird», sagt Binkert, «sondern der authentische Politiker, dem man vertraut. Die Bevölkerung hat Angela Merkels Euro-Krisenpolitik auch mehrheitlich abgelehnt, ihr als Person aber vertraut.»
Die gute Nachricht: Die Leute haben noch ein Gespür für echte Menschen. Mit keinem anderen Ressort hat man in den letzten Jahren so dreist und offen Schindluder getrieben wie mit dem Verteidigungsministerium. Kanzlerin a. D. Merkel wollte die ehrgeizige Konkurrentin Ursula von der Leyen mit dem Amt aus dem Weg haben. Nachfolgerin Annegret Kramp-Karrenbauer (beide CDU) brauchte schlichtweg ein Amt, um in der Regierung besser verankert zu sein. Lamprecht (SPD) schliesslich schoss mit ihrem Desinteresse und ihrer Unfähigkeit schliesslich den Vogel ab.
Pistorius, ehemaliger Oberbürgermeister und niedersächsischer Innenminister, ist nun nach langer Irrfahrt endlich wieder ein «Typ», ein «Kerl», der seine Rolle ausfüllt, Ruhe und Kraft ausstrahlt und sich an Ränkespielen zumindest nicht öffentlich sichtbar beteiligt.
Die Deutschen sind mit ihrem politischen Personal nicht eben ver-, sondern Kummer gewohnt. Kommt einer daher, der einfach mal seinen Job macht, bricht sich schon Begeisterung Bahn.
Bislang jedenfalls steht er als Scholz-Ersatz nicht zur Verfügung, sagt er. Ausgeschlossen hat er es allerdings auch nicht.
Ralf Schuler ist Politikchef des Nachrichtenportals NIUS und betreibt den Interview-Kanal «Schuler! Fragen, was ist». Sein Buch «Generation Gleichschritt. Wie das Mitlaufen zum Volkssport wurde» ist bei Fontis (Basel) erschienen. Sein neues Buch «Der Siegeszug der Populisten. Warum die etablierten Parteien die Bürger verloren haben. Analyse eines Demokratieversagens» erscheint im Herbst und kann schon jetzt vorbestellt werden.
Die SPD wäre mittlerweile für mich selbst dann unwählbar, wenn Helmut Schmidt zurückkäme. Zu viel ideologisch eingeschworenes, aber unqualifiziertes Fußvolk.
Merkel war auch unprätentiös.Aber dann brach doch der sozialistische, hinterlistige SED Parteihintegrund durch.Und der Rausch der Macht (Hinwegfegen aller kritischen PG und Journalisten,sowie deren beruflichler Eliminierung..Mir gefällt der P.auch,aber ich würde nie die SPD wählen.
Pistorius, ein weiterer Kriegstreiber! Guet Nacht am 6i!