Vier Tote und acht Vermisste: Das war das Resultat, nachdem am 11. MĂ€rz 2011 die Fujinuma-Talsperre in der japanischen PrĂ€fektur Fukushima gebrochen war. Die Staumauer hatte dem gewaltigen Erdbeben an diesem Tag nicht standgehalten. Eine riesige Flutwelle spĂŒlte mehrere HĂ€user weg.

Über dieses tödliche WasserkraftunglĂŒck berichteten die Medien im Westen aber nicht. Im Vordergrund stand fĂŒr sie das AKW-UnglĂŒck in Fukushima, wo es wegen des gleichen Erdbebens und des darauffolgenden Tsunamis zu drei Kernschmelzen gekommen war. Dabei gab es bei dieser «Atomkatastrophe» nachweislich kein einziges Todesopfer. Das AKW-UnglĂŒck war den hiesigen Journalisten aber auch wichtiger als die rund 19.000 Toten wegen der Überschwemmungen, die der Tsunami in Japan verursacht hatte.

Verheerende StauseeunglĂŒcke

Das Beispiel zeigt, dass tödliche UnfĂ€lle im Zusammenhang mit erneuerbarem Strom – und dazu zĂ€hlt die Wasserkraft – fĂŒr Journalisten tabu sind. Dabei gibt es eine lange Liste von Talsperren-UnglĂŒcken mit Hunderten, Tausenden oder sogar Zehntausenden Toten.

Die schlimmste derartige Katastrophe ereignete sich 1975 in der chinesischen Provinz Henan. Nach sintflutartigen RegenfÀllen brach der Shimatan-Staudamm. Die Wassermassen brachten weitere 61 Talsperren zum Einsturz. Zehntausende Menschen starben unmittelbar, weitere 150.000 wegen der darauffolgenden Epidemien und Hungersnöte.

Auch in Europa gab es verheerende StauseeunglĂŒcke. 1963 schwappte wegen eines Bergsturzes Wasser ĂŒber die Talsperre des Vajont-Stausees in den italienischen Alpen. Eine 150 Meter hohe Wasserwoge ergoss sich talwĂ€rts, zerstörte mehrere Dörfer und das StĂ€dtchen Longarone. 2000 Menschen starben.

Kaum ein Thema in den Medien sind auch tödliche Ereignisse im Zusammenhang mit WindrĂ€dern. 2013 brach auf einer Windanlage im niederlĂ€ndischen Ooltgensplaat Feuer aus. Zwei Arbeiter, die auf der Anlage gefangen waren, verloren ihr Leben. 2015 stĂŒrzte im deutschen Bundesland Brandenburg der Lift eines Windrads ab. Dabei gab es einen Toten und einen Schwerverletzten.

Das schottische Caithness Windfarms Information Forum zĂ€hlt fĂŒr die Jahre 1996 bis 2021 weltweit 156 tödliche VorfĂ€lle bei Windkraftanlagen. Dabei kamen insgesamt 220 Personen ums Leben. Auch im Zusammenhang mit der als besonders sanft geltenden Solarenergie gibt es immer wieder tödliche UnfĂ€lle. GefĂ€hrlich ist vor allem die Montage von Fotovoltaikmodulen auf DĂ€chern. 2011 kamen in Deutschland deswegen fĂŒnf Personen ums Leben. Informationen oder sogar Statistiken zu solchen VorfĂ€llen sind öffentlich aber praktisch nicht verfĂŒgbar.

Ungleich materialintensiver

Vermutlich fĂŒhrt auch die Gewinnung der Rohstoffe fĂŒr die Herstellung von Solarpanels, etwa der Abbau von Silizium, immer wieder zu tödlichen UnfĂ€llen. Denn bei BergbauaktivitĂ€ten gibt es ganz allgemein regelmĂ€ssig VorfĂ€lle mit Toten und Verletzten. Solche Ereignisse mĂŒsste man auch der Windkraft zurechnen, geht diese doch mit einem grossen Bedarf an Materialien wie Kupfer oder Beton einher.

NatĂŒrlich braucht der Bau von Kernkraftwerken ebenfalls Rohstoffe. Auch der Abbau des Brennstoffs Uran zĂ€hlt zum Bergbau. Allerdings sind die Wind- und die Solarenergie ungleich materialintensiver als die Kernenergie. Darum dĂŒrfte es bei Wind und Sonne rein statistisch viel mehr Todesopfer geben, wenn man es auf die Kilowattstunde Strom herunterrechnet.

Dennoch gilt die Atomkraft als besonders riskante, ja tödliche Form der Energieerzeugung. Dabei ist seit der Katastrophe von Tschernobyl nie mehr ein Mensch wegen der Strahlung aus Reaktoren ums Leben gekommen. Und das liegt 37 Jahre zurĂŒck.

Alex Reichmuth ist Redaktor beim Nebelspalter.