Berlin

Nah bei die Leut’», wie man im PfĂ€lzischen sagt, wollen die Abgeordneten des Deutschen Bundestages schon sein. Schliesslich steht nicht umsonst «Dem deutschen Volke» in grossen Buchstaben ĂŒber dem Eingangsportal.

Aber zu nah ist dann auch wieder nicht schön, fanden die Bauherren des hohen Hauses und haben sich einiges einfallen lassen, um das besuchende Volk auf Abstand zu halten.

Weil die Sicherheitskontrollen in den letzten Jahren immer aufwendiger wurden und im Jahr 2020 einige vermeintlich querdenkende Teile des Volkes ihre Vertreter kurzerhand und ungefragt direkt im Parlament «besuchen» wollten, muss ein neues Besucherzentrum her. Doch das ist kompliziert. Denn im historischen Garten-Ensemble vor dem Reichstag kann nicht gebaut werden, deshalb soll ein mit 150 Millionen Euro ehedem veranschlagter (Prust! Wieher! Nie im Leben!) Glas-SÀulen-Beton-Bau im benachbarten Tiergarten errichtet werden, von wo die gebetenen und kontrollierten GÀste dann unterirdisch in den Reichstag und zum Beispiel auf seine imposante Kuppel gelangen sollen.

Ausruf des Erstaunens

Die (Volks-)Vertreter wollen bei der Auswahl der Betreter schliesslich die Übersicht behalten. Denn der Reichstag wird nicht nur von schrĂ€gen Kritikern der Corona-Politik heimgesucht, sondern immer öfter auch von «Klima-Klebenden», die gegen die ErderwĂ€rmung falschen Feueralarm im historischen GemĂ€uer auslösen, oder von Greenpeace-Leuten, die sich ebenfalls illegal fĂŒr hehre Ziele vom Dachgesims abseilen.

Um solche Eindringlinge mit vermeintlich dringlichen Botschaften kĂŒnftig auf Distanz zu halten, haben die Bauplaner auf einen raffinierten Kniff aus dem englischen Festungsbau zurĂŒckgegriffen: Ein sogenannter Aha-Graben (2,5 Meter tief, 10 Meter breit) soll vor dem Reichstag anrennende Horden in Erstaunen und vor allem in Ratlosigkeit versetzen, wenn sie bemerken, dass da eine Mauer ist, mit der sie nicht gerechnet hatten (Ausruf des Erstaunens: «Aha!»). Um den gediegenen Ausblick aus den hoheitlichen Fenstern nicht zu stören, versenkten pfiffige LandschaftsgĂ€rtner einst hĂ€ssliche Mauern einfach in einen auf einer Seite abgeflachten Graben (mitunter in Zoos noch gebrĂ€uchlich) und stoppten den Angreifer unterhalb der sichtbaren Landschaftslinie.

Und was fĂŒr das Schloss von Grand Trianon in Versailles oder das «HĂŽtel de Sully» in Paris gut genug ist, sollte den Berliner Granden gerade recht sein. Nicht dass das Volk beim Regieren stört.

Ralf Schuler ist Politikchef der Vius SE und betreibt den Interview-Kanal «Schuler! Fragen, was ist» (YoutubeAralf-schuler). Sein neues Buch «Generation Gleichschritt. Wie das Mitlaufen zum Volkssport wurde» ist kĂŒrzlich beim Basler Fontis-Verlag erschienen.

Ralf Schuler ist Politikchef des Nachrichtenportals NIUS und betreibt den Interview-Kanal «Schuler! Fragen, was ist». Sein Buch «Generation Gleichschritt. Wie das Mitlaufen zum Volkssport wurde» ist bei Fontis (Basel) erschienen. Sein neues Buch «Der Siegeszug der Populisten. Warum die etablierten Parteien die BĂŒrger verloren haben. Analyse eines Demokratieversagens» erscheint im Herbst und kann schon jetzt vorbestellt werden.