Eine grossangelegte Umfrage der Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften (ZHAW) mit über tausend Teilnehmern offenbart, dass Schweizer Journalisten sich selbst politisch deutlich links von ihrem Publikum verorten. Konkret: 33 Prozent der Bevölkerung wählen links oder eher links, bei den Journalisten sind es mehr als doppelt so viele, nämlich 75,7 Prozent. Eine neutrale Mitte, in der Bevölkerung mit 39 Prozent die grösste Gruppe, ist unter den Journalisten fast inexistent (6,7 Prozent). Bei den Journalistinnen positionieren sich gar 85 Prozent politisch links. Die Frauen sind mit 45 Prozent Anteil bei dieser Berufsgruppe zwar immer noch eine Minderheit, sie haben aber stark zugelegt, unter den jungen Journalisten stellen sie mittlerweile die Mehrheit.

Das ist nicht neu. Die Schweiz liegt im internationalen Trend, der in allen westlichen Ländern bei den etablierten Medien in dieselbe Richtung zeigt: links. In Deutschland etwa wären die Grünen die mit Abstand stärkste Partei, wenn allein die Journalisten wählen dürften. Die AfD gäbe es gar nicht.

Jeder, der über Augen, Ohren und einen kritischen Verstand verfügt, kann die politische Schlagseiten zwischen den Zeilen der täglichen Berichterstattung mühelos herauslesen. Insofern ist nur folgerichtig, dass die etablierten Medien an Glaubwürdigkeit verloren haben.

Als alter Hase in dieser Branche, der über vier Jahrzehnte hinweg in Redaktionen etwelcher Couleur gearbeitet hat, wage ich die Behauptung, dass dieser Linksdrall ein uraltes Phänomen ist. Neu ist lediglich die Freimütigkeit, mit der Journalisten ihre politische Schlagseite offenbaren, sowohl in Umfragen wie auch in ihrer täglichen Arbeit. Wobei ich einräume: Ich kann diesen Trend auch bei mir selber beobachten.

Als ich Mitte der 1980er Jahre in die Branche einstieg, hätten sich die allermeisten meiner Kollegen eher die Zunge abgebissen, als sich zu einer politisch-ideologischen Richtung zu bekennen. Man wusste natürlich mit der Zeit, wer in etwa wie tickt. Doch gemäss dem ungeschriebenen Ehrenkodex gaben sich fast alle strikte neutral. Der Wahrheit und nichts als der Wahrheit verpflichtet.

Ich bin mir unschlüssig, was vom neuen Bekenntnisdrang zu halten ist. Man kann es als Zeichen der Redlichkeit deuten, wenn Journalisten ihre eigene Befangenheit offenlegen. Ich neige allerdings eher zur Ansicht, dass wir es mit einer Verluderung journalistischer Tugenden zu tun haben. Man bemüht sich gar nicht erst um Fairness und Objektivität – und ist noch stolz darauf.