Wenn zwei das Gleiche tun, ist es noch lange nicht dasselbe. Das weiss jedes Kind. Wenn etwa früher Menschen für Frieden auf die Strassen gingen, so waren das besorgte Bürger. Heute gilt man als Friedensdemonstrant schnell als Verräter an den Werten des Westens. Und wer früher gegen die Macht des Staates demonstrierte, zeigte sich als kritischer Zeitgenosse. Heute gilt man in diesem Fall rasch als Demokratiefeind.

Zur Routine geworden ist das Messen mit zweierlei Mass bei allem, was irgendwie mit der AfD zu tun hat. Werden AfD-Wahlplakate zerstört oder AfD-Mitglieder im Wahlkampf bedroht, ist das eine Art Kollateralschaden beim «Kampf gegen rechts». Geschieht dies linken Parteien, ist die Demokratie in Gefahr. Werden der AfD parlamentarische Posten vorenthalten, die ihr traditionell zustünden, ist das ein Akt demokratischer Notwehr. Als man vor vierzig Jahren mit den Grünen ähnlich verfuhr, galt das noch als undemokratische Ausgrenzung.

Wenn nun der Politologe Oliver Lembcke in einem Interview mit Blick auf die Kommunalwahlen in Thüringen erklärte, «die AfD hat jetzt durch ihre Stärke in den Kreistagen eine Erpressungsmacht», so passt das in das übliche Bild. Wenn andere Parteien in den Kommunalparlamenten stark vertreten sind, gilt das als Ausdruck funktionierender Demokratie, und diese Parteien üben im Zweifelsfall Kontrolle über die allzu grosse Macht der Landesregierung aus. Im Falle der AfD ist eine solche Art von Einfluss hingegen «Erpressung».

Interessant ist aber auch das Demokratieverständnis, das in dem Zitat zu Tage tritt. Wenn eine oppositionelle Partei mit ihrer kommunalen Macht versucht, Politik zu gestalten und so den Stimmen ihrer Wähler auch Geltung zu verschaffen, dann gilt das offensichtlich als eine Art demokratiefeindliche Agitation. Als Demokrat gilt hingegen offensichtlich, wer brav mit der Mehrheit und dem politischen Establishment mitstimmt und die Stimmen seiner Wähler verfallen lässt. Eine seltsame Auffassung von Demokratie.