Anita Roddick (34) war Hausfrau in Brighton und musste wie Millionen andere auf den Penny achten. Die gängigen Pflegetinkturen und Kosmetika waren ihr zu teuer. In einem ehemaligen Bestattungsinstitut fand sie einen Raum, wo sie zusammen mit ihrem Mann die Seifen und Shampoos selber herstellen und vermarkten konnte. Die Nachbarinnen waren begeistert. Sie halfen, das Zeug eigenhändig abzufüllen, und verkauften es. Je mehr Anita Roddick umsetzte, desto klarer wurde ihr: Jedes Kind braucht einen Namen! Ihr «Baby» in einer Nebenstrasse nahe beim Hafen nannte sie «The Body Shop». Je mehr Ware verkauft wurde, desto mehr wurde bei dritten Herstellern eingekauft.

Es war eine der erstaunlichsten Marketinggeschichten des 20. Jahrhunderts.

Die Marke The Body Shop wurde zum Grosserfolg. Als Anita mit knapp sechzig Jahren starb, gab es in 65 Ländern der Erde, vor allem in Amerika und rund ums Mittelmeer, über 2100 dieser Läden mit der schrägen Ideologie. Anita bestand auf klare Unterschiede zum damaligen Industriestandard: Entwicklung ohne Tierversuche, natürliche Produktgrundlagen, günstige Preise. Den grössten Teil ihres auf 300 Millionen Pfund geschätzten Vermögens wendete sie Stiftungen und Spenden zu.

Zu dieser Zeit arbeitete der junge Zürcher Yvan Levy in England und entdeckte zusammen mit seiner Frau Sheela diese merkwürdigen, immer überfüllten, Jaguar-grün gestrichenen Läden. Als Betriebswirtschafter und Schiffsmakler verstand Yvan von Kosmetik so viel wie eine Kuh vom Klettern. Aber das Paar hatte eine Nase für erfolgreiche Ideen, fragte sich durch und war kurz darauf «head franchesees» für The Body Shop in der Schweiz. Das heisst so etwas wie Generalvertreter.

Eine Zeitlang wirkten die Levys auch in der Unternehmensleitung. Sie fanden ein zahlbares Verkaufslokal beim Bahnhof Stadelhofen. Eine frühe Kundin, die gerade von einem Innenstadtlokal in Winterthur wusste, drängte so lange, bis Levy die erste Unterlizenz für die Stadt Winterthur unterschrieb. Zur Ladeneröffnung kamen, just married, die spätere Denner-Chefin Helga Hnidek und FDP-Stadtrat Ernst Bieri. Der erste Franchisevertrag wurde vom Anwalt der Interessentin formuliert und umfasste vier Seiten.

Dann konnte sich Yvan Levy ein winziges, aber sensationell gelegenes Lokal am Bellevue, im «Vorderen Sternen», sichern. The Body Shop wurde auch in Zürich zum Stadtgespräch, vor allem der niedrigen Preise und der konsequent grünen Angebotsformen wegen. Die konventionelle Konkurrenz ringsum rümpfte die Nase, aber die Body-Shop-Girls füllten den Kunden die Lotion im mitgebrachten Fläschchen auf und gaben erst noch Rabatt.

Bald liessen die jungen Levys das Schiffsmakeln sein und beschlossen, dem ständig wachsenden und professionell erweiterten Sortiment zu vertrauen: Körperjoghurt mit Mandelmilch und Fusscreme mit Pfefferminze, dies nun freilich mit dem ehrwürdigen Titel eines «master franchesee» für die Schweiz. Innert weniger Jahre konnten die vierzig Schweizer Läden, die meisten an sehr guter Lage, ihre nicht geringen Personal- und Mietkosten verdienen. Der Aussenseiter aus der britischen Hafenstadt war zum Marktleader geworden, mit allen Risiken.

Mit den Monaten baute man ein Netz von internationalen Marketingleuten und Chemikern auf, das bald aussah wie ein Konzern, aber eben freundlich und fröhlich. Die Kosmetikindustrie merkte auf. Alte Kämpfer wie Yves Rocher und jede Menge Newcomer – von Weleda über Kiehls bis Rituals – nahmen den Kampf um Produkte, Ideen und Standorte auf. Der Goldfisch musste lernen, im gleichen Teich mit den Haien zu schwimmen.

Zugleich stiegen im Hochpreisland Schweiz die Kosten, vor allem für Mieten und Personal. Der Preisvorteil des Aussenseiters schwand; das Franchise-System begrenzte zudem die Finanzkraft des Systems, weil die Franchisenehmer in der Regel ihre Ersparnisse einsetzten. Die Gründerin bemerkte die Risiken rechtzeitig und verkaufte 2012 an L’Oréal. Schritt um Schritt wurde der freche Pionier und Aussenseiter zum gewöhnlichen Konkurrenten. Sein Konzept war längst nicht mehr einmalig.

The Body Shop verfügte in den Schweizer Innenstädten und Einkaufszentren zwar über teilweise hervorragende, aber zu kleine Lokale. Ähnliche Probleme hatte der einstige Pionier in Grossbritannien (Gläubigerschutz), Deutschland (Insolvenzverfahren) und USA (Schliessung aller Filialen).

Am Dienstag teilte Coop Schweiz mit, von der Verlängerung des Vertrags abzusehen und die 33 verbliebenen Lokale anderweitig zu verwenden. Die mehrheitlich bescheidenen Ladenflächen dürften dem Grossverteiler wenig helfen. Es wird betont, dass die 108 Angestellten von Coop übernommen werden.