Der Westen hoffte, dass es in Russland zu einem Bankrun kommen würde und dass die Versorgung zusammenfiele. In den westlichen Medien wurden Schlangen vor Bancomaten gezeigt und leere Regale. Dies geschah in Russland 1998 – ich mag mich gut daran erinnern, und die Konsequenzen für die Bevölkerung waren grauenhaft.
Die Situation heute ist eine ganz andere, aber die Medien in der Schweiz oder in Deutschland versuchen, mit Bildern einen gegenteiligen Eindruck zu vermitteln.
Ich lebe in Moskau und kaufe regelmässig bei Lenta ein. Lenta ist eine Supermarktkette, vergleichbar mit Migros, nicht etwa ein Geschäft für die Elite.
Die Fotos, die Sie unten sehen, habe ich selber aufgenommen, während eines Einkaufs Mitte letzter Woche. Sie machen deutlich, dass in Moskau keine Lebensmittelknappheit herrscht.
Wie steht es um die Banken? Während der ersten zwei Tage hatten die Russen tatsächlich Angst um ihr Geld und holten für den Fall eines Bankruns Geld aus den Bancomaten. Nach kurzer Zeit war der Spuk aber vorbei, da die russischen Banken innert 24 Stunden die gesperrten Mastercards und Visas durch ein wohl vorbereitetes System mit dem Namen MIR ersetzten.
Da ich selber ein Konto bei der zweitgrössten Bank Russlands – der VTB – habe, deren Swift-Verkehr nicht mehr funktioniert, eröffnete ich am Donnerstag ein Konto bei der Alfa-Bank. Das dauerte dreissig Minuten. Nun kann ich wieder Geld aus der Schweiz erhalten.
Was hat sich nun verändert? Fremdwährungen kann man nicht mehr kaufen, aber die wichtigste Neuerung, welche weitreichende Konsequenzen haben wird, ist, dass am 1. März die Mehrwertsteuer von 20 Prozent auf Gold abgeschafft wurde. Gold kann man mit Rubel, Euro und US-Dollar kaufen. Das tun die Russen jetzt, um sich gegen die Abwertung des Rubels abzusichern. Russland ist übrigens gemäss World Gold Council (Gold.or) der zweitgrösste Goldproduzent nach China. Es hat also genug Gold für die Bevölkerung.
Bedeutet dies für die russische Bevölkerung, dass die Sanktionen keine Wirkung haben?
Ganz und gar nicht – der Rubel hat innert eines Monats zirka 45 Prozent seines Wertes gegenüber dem Schweizer Franken eingebüsst. Somit werden ausländische Produkte viel teurer für die Russen, Ferienreisen etwa ins Ausland sind somit ebenfalls massiv teurer geworden, und die russischen Kreditkarten funktionieren zurzeit nicht im Westen.
Die russische Zentralbank hat die Zinsen vor zirka einer Woche von 8,5 Prozent auf 20 Prozent erhöht, um den Rubel-Sturz für die Bevölkerung zu dämpfen.
Betreffend Grundversorgung steht Russland heute verglichen mit der Krise von 1998 viel besser da. Heute gibt es gute russische Produkte in allen Bereichen. Die Grundversorgung in Russland ist ohne Import sichergestellt, selbst wenn die Grenzen ganz geschlossen werden.
Dr. Peter Hänseler, Jurist, ist Unternehmer aus Zürich. Er hat lange in Russland gearbeitet und lebt seit einem Jahr wieder in Moskau.
Danke Peter Haenseler für diesen sachlichen Beitrag. Als Mitglied der Geschaeftsfuehrung eines grossen deutschen Einzelhändlers in Russland kann ich bestätigen, dass dies tatsächlich so ist. Die Lücken in einigen Regalen sind auf die grosse Nachfrage nach Vorratsartikel und die Logistik zurueckzufuehren. Ein Reflex der Russen wenn schwierige Zeiten bevorstehen. War schon bei Corona so.
Die Medien schüren die Schadenfreude im Westen um damit von den Problemen der eigenen Regierungen abzulenken. Diese mediale Schadenfreude gab es vor kurzem noch im Anschluss an den Brexit. Und die Medienvertreter, dh. die Journalisten wollen nichts damit zu tun haben.
Nun dürften sich demnächst auch Bilder von deutschen Supermärkten mit leergeräumten Mehl- und Sonnnenblumenöl-Regalen häufen, und das dürfte auch erst der Anfang sein. Von den massiven Preissteigerungen durch die exorbitant gestiegenen Spritkosten dür Spediteure ganz zu schweigen, die sich in Kürze schmerzhaft bewerkbar machen werden. Die medial befeuerte Schadenfreude dürfte sich damit rasch verflüchtigen.