Junge ukrainische Männer zahlen bis zu 10.000 US-Dollar Bestechungsgelder, um dem Wehrdienst zu entgehen. Dies berichtet die Financial Times. Erst kürzlich hatte Staatspräsident Wolodymyr Selenskyj die Leiter aller Kreiswehrersatzämter im Land wegen des Verdachts auf Bestechlichkeit entlassen. Nun sollen erfahrene Kriegsveteranen diese Posten übernehmen.

Die Einführung des Kriegsrechts im Februar letzten Jahres hat die in der Ukraine traditionell weit verbreitete Korruption offenbar weiter verstärkt. Eine Möglichkeit war der Kauf einer ärztlichen Untauglichkeitsbescheinigung für etwa 6000 US-Dollar, wie eine ukrainische Untersuchung ergab. Zudem versuchten Tausende Männer das Land illegal zu verlassen; viele wurden gefasst.

Ein besonders eklatanter Fall soll den Leiter des Rekrutierungsbüros von Odessa, Jewgeni Borissow, betreffen. Er sei in ganze Netzwerke von Kriegsdienstverweigerung verstrickt gewesen und habe Millionen eingestrichen – zwischen 2000 und 10.000 US-Dollar pro Person. Er habe Tausenden von jungen Männern geholfen, dem Dienst mit der Waffe zu entgehen.

Die Berichte illustrieren die Schwierigkeiten der ukrainischen Armee, die hohen Verluste an Soldaten auszugleichen. Dafür spricht auch ein Gesetzentwurf, der derzeit von der Rada, dem Parlament in Kiew, diskutiert wird. Er sieht vor, dass Jugendliche zwischen 16 und 18 Jahren das Land nicht mehr verlassen dürfen.

Allgemein wird das als Vorstufe zu einer Wehrpflicht für Minderjährige für eine Art von «Volkssturm» betrachtet. Bislang untersagt das Kriegsrecht Männern zwischen 18 und 60 Jahren die Ausreise ohne Genehmigung.