Die soziologische Theorie, moderne Gesellschaften seien so robust, dass sie auch Versager an der Spitze überleben, wird in Deutschland gerade auf eine harte Probe gestellt.

Als 2017 die Jamaika-Sondierungen scheiterten, wurde der FDP-Chef Christian Lindner durch einen guten Satz berühmt: Es ist besser, nicht zu regieren, als falsch zu regieren. Heute, an die Macht gelangt, schliesst er daraus offenbar, dass eine Beendigung der Katastrophen-Ampel ein Eingeständnis wäre, bisher falsch regiert zu haben.

So kann man vielleicht erklären, wieso er das ultraknappe Wahlergebnis der internen Mitgliederbefragung über den Verbleib der FDP in der Regierung bei einer Wahlbeteiligung von 40 Prozent als «klaren Auftrag» zum Weitermachen interpretieren konnte.

Man fragt sich ja oft, welche Drogen Politiker genommen haben, um zu solchen Äusserungen zu kommen. Aber wahrscheinlich ist es nur die Droge Macht. Das wird gerne mit dem Begriff «Verantwortung für Deutschland» vertuscht. Und da die FDP in den letzten zwei Jahren alles andere als liberale Politik durchgesetzt hat, lautet die häufigste Entschuldigung: Schadensbegrenzung. Ohne uns wäre alles noch viel schlimmer gekommen …

Völlig losgelöst von der Erde – so wirkt die Ampel-Regierung auf die meisten Bürger. Aber vielleicht ist es viel zu idealistisch gedacht, wenn man den Politikern Realitätsverlust unterstellt. Sie kleben an ihren Sesseln der Macht, klammern sich an ihre lukrativen Posten und wetten auf unsere Dummheit. Daran wird sich bis zu den nächsten Bundestagswahlen nichts ändern. Denn je schlechter die Umfragewerte der Ampel, desto unwahrscheinlicher sind Neuwahlen.

Und was Herrn Lindner betrifft, so wird er noch zwei Jahre die Macht in der Ampel geniessen, um sich dann aus der Politik zurückzuziehen.