Stell dir vor, du bestreitest als Fussballnationalmannschaft ein Heimspiel und wirst schon beim Singen der Hymne gnadenlos ausgepfiffen. Stell dir dann noch vor, dass du nicht von angereisten Fans der gegnerischen Mannschaft aus dem Ausland ausgebuht wirst, sondern von Leuten, die vermutlich zu einem grossen Teil sogar hier geboren und mit einem deutschen Pass ausgestattet sind.

So passiert am vergangenen Samstagabend im Olympiastation in Berlin. Am Ende verlor die deutsche Nationalmannschaft 2:3 gegen die Türkei. Vielleicht auch, weil es sich für die Deutschen am Ende doch eher wie ein Auswärtsspiel anfühlte.

Ja, wenn man in einem deutschen Stadion fast nur türkische Flaggen sieht, wenn der deutschtürkische Kapitän bei jedem Ballkontakt von den türkischen Fans gnadenlos ausgepfiffen wird und am Rande des Spiels Fussballfans mit dem Wolfsgruss türkischer Rechtsextremer auffallen, dann beschleicht einen irgendwann das Gefühl, dass es hier um mehr geht als nur um Fussball und dass sich hier mal wieder im Kleinen zeigt, was in Deutschland in Sachen Integration seit Jahrzehnten schiefläuft.

Die Bilder dürften jenen, die gerne behaupten, dass es sich bei den Türken in Abgrenzung zu jenen, die heute grösstenteils zu uns kommen, um die integrierten Zuwanderer handele, einen harten Dämpfer verpasst haben. Wobei man auch schon vorher sehr verzweifelt gewesen sein muss, um zu behaupten, dass jene, die mehrheitlich Erdogan wählen, kompatibler mit unseren demokratischen Grundwerten seien. 50 Prozent der Deutschtürken, das ergab eine Umfrage von Infratest Dimap schon 2016, sehen ihre religiösen Gesetze über dem Grundgesetz. Dass mögen weniger sein als bei den Afghanen, macht die Sache aber auch nur bedingt besser.

Zur Wahrheit gehört jedoch auch, dass man Respekt in der Regel nur erhält, wenn man sich selbst respektiert. Ein Land wie Deutschland, das keine Integration fordert und, wenn wir ehrlich sind, auch nie gefordert hat, das seine eigenen Werte nicht mit Stolz verteidigt und seine Nationalmannschaft zu einem seelenlosen Marketingprodukt umgestaltet hat, muss sich deshalb nicht wundern, wenn es von diesen Leuten ausgebuht wird.