«We are out» -sagte Donald Trump erzürnt beim letzten Treffen mit Wolodymyr Selenskyj. Der Erpressungsversuch, den er «Deal» nennt, ist vor laufender Kamera geplatzt und auch das Ego von Selenskyj war vorerst zu gross, um «peace first» zu sagen – kurz darauf lenkte er jedoch auf Trumps Kurs ein.

Nun stehen wir an einer sehr wichtigen Weggabelung und alle gehen aus meiner Sicht in die falsche Richtung. Die NZZ am Sonntag titelt: «Ab jetzt allein gegen Putin» und entwirft dann das neue Europäische Schlachtfeld. Dem Präsidenten des Europarates, Alain Berset, fällt nichts Neueres ein, als das Mantra vom «Gerechten Frieden» zu wiederholen. Und die Deutsche Aussenministerin moralisiert weiterhin. Sie erklärte, dass eine «neue Zeit der Ruchlosigkeit» begonnen habe und forderte entschiedenes Handeln Deutschlands und Europas. Annalena Baerbock betonte, dass der eigentliche Feind im Kreml sitze und nicht in Kiew oder Brüssel.

All dies führt nicht weiter und schon gar nicht zum Frieden, sondern zu einer Verlängerung und Eskalation des Krieges. Ich denke, es ist nun Zeit für eine europäische Friedenskonferenz in der Schweiz – mit Russland, der Ukraine und eben den Europäern. Um diese Konferenz kommen wir sowieso nicht herum. Wenn es so weitergeht, wie es sich jetzt abzeichnet, dann wird die Friedenskonferenz in zehn bis fünfzehn Jahren kommen – wenn Europa wieder mal vollkommen zerstört ist.

Also besser jetzt als später!

Eine wichtige Voraussetzung dafür ist, dass man pragmatisch bleibt, die Sicht der anderen versteht und nicht moralisiert. Die Bevölkerung ist es leid, sich mit hehren Idealen wie «Freiheit», «Solidarität», «Gerechter Frieden», et cetera gegeneinander aufhetzten zu lassen. Die Zeiten, dass die Hetzer in der Schlacht vorangehen, ist leider vorbei. Nun sitzen sie in bequemen Sesseln, bekommen hohe Gehälter und die Menschen, die sie regieren, sterben im Schützengraben oder zu Hause, wenn über Nacht die Drohnen kommen.

Allzu lange haben sich die Europäer militärisch hinter den Amerikanern versteckt – und die Schweizer hinter den Europäern. Nun ist es Zeit, eigenständig zu werden.

Und Russland sollte man daran erinnern, dass sie auch schon mal näher an Europa waren. In den 1990er und Anfangs der 2000er Jahre wollte Russland in die Nato. Laut ChatGPT, der neuen Wahrheit des Internets, haben die Amerikaner das verhindert. Zudem hat Wladimir Putin ja immer gesagt, eigentlich würde Russland nicht gegen die Ukraine, sondern gegen die Nato – vor allem die USA kämpfen. Dieser Kriegsgrund ist also passé.

Sind wir damit zurück bei den Minsker Abkommen von 2014 und 2015, die ja bekanntlich nicht gehalten haben?

Diese Abkommen sahen einen Waffenstillstand und eine gewisse Eigenständigkeit der umkämpften ukrainischen Ostgebiete vor. Inzwischen ist auch Wolodymyr Selenskyj klar, dass diese Gebiete (vorerst) nicht mehr zur Ukraine gehören werden. Und eine Eingliederung in Russland würde Wladimir Putin als Erreichen seiner «begrenzten Militäraktion» darstellen. Aber wird Putin dann weitergehen? Auch hiergegen liegt die Lösung auf dem Tisch: Europäische Friedenstruppen. Dies ist allemal besser, als die Ukraine weiterhin gerade mit so viel Waffen zu unterstützen, dass sie den Krieg weder verlieren noch ihn gewinnen kann.

Was hat also das «out» der Amerikaner verändert? Ich denke, es bietet Chancen. Man könnte nun die Bodenschätze der Ukraine vollumfänglich für deren Wiederaufbau nutzen, ohne den USA einen grossen Anteil zu überlassen: Die Gegenleistung der USA war ja eher «soft»: die Freundschaft zu Putin wurde von Trump angeführt: «Er hat mir sein Wort gegeben.» Und das sagt jemand, der sich selten an das erinnern will, was er vor kurzem gesagt hat. Was zählt dann das Wort seines Freundes?

Summa summarum hat aus heutiger Sicht eher die USA den Deal verloren als die Ukraine oder die Europäer. Es bleibt nur zu hoffen, dass diese sich besinnen, die Hetze aufhören und gemeinsam pragmatisch Richtung Frieden mit Russland vorangehen. Es gibt auf dem alten Kontinent viel zu tun (Umweltproblem, Bürokratieabbau). Hierfür ist Frieden allemal besser ist als ein «gerechter Krieg».

Thorsten Hens ist Professor für Finanzmarktökonomie an der Universität Zürich. Er forscht über finanzielle Fehlentscheidungen (Behavioral Finance) zum Beispiel aufgrund von Emotionen.