In der Schaffhauser Zeitung äussert sich Giorgio Behr betont kritisch über die Europapolitik des Bundesrats. Mit seiner Distanzierung von einem neuen Rahmenvertrag grenzt sich der erfahrene, erfolgreiche Unternehmer auch vom Wirtschaftsdachverband Economiesuisse ab. Dort agierten Manager, so Behr, «die oft in der Schweiz nicht einmal stimmberechtigt sind und alle paar Jahre die Firma wechseln». Unternehmer hingegen dächten in Generationen und darum nachhaltig.

Er habe 1992 wie sehr viele andere Unternehmer den EWR-Beitritt der Schweiz befürwortet. «Heute würde niemand von uns mehr zustimmen.» Denn man habe feststellen müssen, dass sich die EU in den letzten drei Jahrzehnten total verändert habe.

Giorgio Behr ist Mitglied des Unternehmerkomitees Autonomiesuisse und hält fest, dass sich das neu aufgegleiste Vertragspaket kaum vom 2021 beerdigten Rahmenvertrag unterscheidet. Der Gründer und Verwaltungsratspräsident der Firma Behr Bircher Cellpack BBC und Präsident das Handballklubs Kadetten Schaffhausen ist nicht nur im Nordzipfel unseres Landes eine wichtige Persönlichkeit. An der Universität St. Gallen hat Professor Behr viele Jahre Betriebswirtschaft gelehrt.

Behr betont, dass die Unternehmer dieses Vertragswerk schlicht nicht nötig hätten. Den Zugang zum europäischen Binnenmarkt garantiere das Freihandelsabkommen von 1972. Länder wie die USA, China und Indien bewegten sich enorm erfolgreich im europäischen Binnenmarkt, obwohl sie eigentlich keinen freien Zugang hätten.

Dann sprach Giorgio Behr auch ein Thema an, das in der Schweizer Politik tabuisiert wird: die Mehrwertsteuer. Bisher gilt sie zwar in der EU noch nicht als binnenmarktrelevant. Doch das könne sich rasch ändern und über die dynamische Rechtsübernahme auch die Schweiz betreffen: «Dann haben wir nicht mehr 8,1, sondern 15 oder mehr Prozent Mehrwertsteuer. Das ginge zu Lasten der Bevölkerung, besonders der Einkommensschwachen. Wie die Schweiz dies dann sozial abfedert, steht in den Sternen.»

Überhaupt sollte sich die Schweiz mehr auf die Märkte ausserhalb von Europa ausrichten. Dazu zählen auch Indien oder Lateinamerika. Seit 1992 hätten sich Exporte der Schweiz in die EU knapp verdreifacht, in die USA verachtfacht, nach China verfünfzigfacht. Die USA haben Deutschland schon längst als wichtigsten Handelspartner der Schweiz abgelöst: «Wir sollten uns stärker auf Märkte ausserhalb von Europa ausrichten.»

Der Landesregierung gibt der erfahrene internationale Wirtschaftspraktiker als Tipp für die Verhandlungen in Brüssel mit auf den Weg: «Der Bundesrat muss ein Ziel, er muss stichhaltige Argumente haben, und er muss bereit sein, vom Verhandlungstisch wegzulaufen, wenn das Verhandlungsergebnis den Schweizer Interessen widerspricht.»