Die Schlagzeilen, wonach Streitkräfte aus Nordkorea Putins Krieg gegen die Ukraine unterstützen, sorgt im Wertewesten für Schnappatmung. Die Hilfstruppen des Diktators Kim Jong Un würden in russische Uniformen gesteckt und auf einen Fronteinsatz vorbereitet.

Die NZZ spricht von «Zäsur» und bemüht als Vergleich nichts weniger als die Mongolenscharen von Dschingis Khan, die vor 800 Jahren bis Mitteleuropa vorgestossen seien. Immerhin könne man das nicht ganz mit der heutigen Situation gleichsetzen.

Nordkorea helfe jetzt Russland, seine Personalprobleme zu lösen, und bestärke die gegenseitige Allianz. Auch würde das asiatische Land für diese Hilfe reich entlöhnt. Diese Analyse mag durchaus zutreffen.

Doch dann folgt die Forderung nach Vergeltungsmassnahmen der säbelrasselnden NZZ: Als Antwort solle der Ukraine nun erlaubt werden, weitreichende westliche Waffen gegen Ziele im Innern Russlands einzusetzen. Auch solle die Nato die Verlegung eigener Bodentruppen in die Ukraine im gleichen Umfang wie Nordkorea «androhen».

Was ist von einer solchen Eskalationsforderung in Richtung Dritter Weltkrieg zu halten?

Erstens bleibt festzuhalten, dass auch die USA weltweit gekaufte Söldnertruppen für ihre Interessen einsetzen. Und das nicht zu knapp. Zweitens fackeln die Amerikaner nicht lange, wenn es um Unterstützung mit US-Soldaten in anderen, fernen Ländern geht. Deshalb sollte gerade der Westen eine nordkoreanische Unterstützung in Russland nicht allzu päpstlich verurteilen.

Und drittens müsste man schliesslich Nordkorea kennen, um diesen Einsatz von angeblich 12.000 Soldaten in Russland richtig zu beurteilen. In Nordkorea trägt ein sehr grosser Teil der Bevölkerung Uniform – wie in allen Diktaturen. Das heisst noch lange nicht, dass die massenweise uniformierten Frauen und Männer bewaffnete Kriegseinsätze leisten.

Viele von ihnen versehen ganz einfach tägliche Staatsaufgaben, etwa im Dienst der Infrastrukturen. Oder auch Tätigkeiten, die im Westen selbstverständlich durch die private Wirtschaft erledigt werden. So gesehen ist es eher unwahrscheinlich, dass die Nordkoreaner demnächst an den vordersten Frontabschnitten mit den Russen schiessen und kämpfen. Wesentlich wahrscheinlicher ist, dass sie in den hinteren Linien für Aufgaben der Logistik eingesetzt werden.