Er geht mit einem Knall: Dass der frĂŒhere PrĂ€sident des Bundesamtes fĂŒr Verfassungsschutz, Hans-Georg Maaßen, frĂŒher oder spĂ€ter die CDU verlassen wĂŒrde, kann niemanden ĂŒberraschen, der ihn kennt und die Union etwas lĂ€nger beobachtet.

Die CDU sei «herz- und hirntot», moniert der langjĂ€hrige Spitzenbeamte und findet in seinem Abschiedsbrief an CDU-Chef Friedrich Merz, den wir auf Nius dokumentieren, drastische Worte: «Deutschland ist tief gespalten, und der Graben wird tĂ€glich grĂ¶ĂŸer. Die CDU trĂ€gt mit ihrer Brandmauer- und Ausgrenzungs-Politik maßgebend dazu bei. Der Graben verlĂ€uft indes nicht zwischen gut und böse, rechts und links, sondern zwischen denen, die sich vorsĂ€tzlich oder aus Dummheit fĂŒr eine neosozialistische Gesellschaft einsetzen, die potenziell in den Totalitarismus abgleitet und in der den Menschen vorgegeben wird, wie sie zu leben, zu sprechen, zu arbeiten und zu heizen haben, und denen, die sich fĂŒr die Freiheit, fĂŒr Rechtsstaat und fĂŒr die Grundordnung des Bonner Grundgesetzes entscheiden.»

Man mag ein gutes Maß Verbitterung und Unversöhnlichkeit aus diesen Zeilen herauslesen, und doch macht man es sich zu leicht, wenn man diesen Abgang als private Abrechnung abtun will. Es stimmt schon: Am Anfang dieser Entfremdung des ehemaligen Geheimdienstchefs von seiner politischen Heimat steht ein geradezu absurder Vorgang, bei dem Maaßen seinen Posten verlor, weil er als Einziger in der damaligen Bundesregierung die Wahrheit sagte. Es gab bei den Ausschreitungen 2018 in Chemnitz keine «Hetzjagden», obwohl selbst der Regierungssprecher dies behauptete. So etwas zu schlucken und den Mund zu halten, erfordert mehr als Selbstverleugnung.

Und natĂŒrlich ist die Kritik Maaßens am Zustand der Union so brutal, wie es bei geschiedenen Leuten zuweilen vorkommt. Er hat aber durchaus einen Punkt, wenn er konstatiert, dass die CDU auf vielen Politikfeldern heute trotz aller BemĂŒhungen fĂŒr die RĂŒckgewinnung von Profil und klarer Kante leisetreterisch mit dem Zeitgeist umgeht und ihre demokratische Rolle als Wokeness-Korrektiv oft taktisch, verschĂ€mt und verzagt wahrnimmt und damit linken WortfĂŒhrern unnötig Raum lĂ€sst.

In der Generation von Maaßen herrschte dagegen ein Pluralismus-VerstĂ€ndnis vor, wonach nur kraftvoller Widerspruch im politischen Meinungswettstreit der beiden großen MeinungsflĂŒgel zu einem gesunden gesellschaftlichen Ganzen und SchĂ€rfung der Argumente fĂŒhrt. Streit klĂ€rt und erklĂ€rt. Im besten Sinne. Die HĂ€rte, die Maaßen in diesem Diskurs vorschwebt, wird und will die heutige Union in der Tat nicht liefern.

Ralf Schuler ist Politikchef des Nachrichtenportals NIUS und betreibt den Interview-Kanal «Schuler! Fragen, was ist». Sein Buch «Generation Gleichschritt. Wie das Mitlaufen zum Volkssport wurde» ist bei Fontis (Basel) erschienen. Sein neues Buch «Der Siegeszug der Populisten. Warum die etablierten Parteien die BĂŒrger verloren haben. Analyse eines Demokratieversagens» erscheint im Herbst und kann schon jetzt vorbestellt werden.