Kein Nato-Beitritt. Nicht einmal ein Fahrplan für eine Aufnahme. So lautet eine Kernbotschaft vom Nato-Gipfel in Vilnius.

Der ukrainische Kriegspräsident Seleskyj ist entrüstet. «Absurd» sei die Absage. Und er warnt: «Für Russland bedeutet dies eine Motivation, seinen Terror fortzusetzen.»

Zu der Ablehnung habe womöglich «ein Geheimtreffen» beigetragen, «von Amerikanern und Russen, schon im April», berichtete das ZDF-Politmagazin «Frontal 21» am Mittwochabend.

Am Rande der Uno-Versammlung sei es zu dem «brisanten Treffen» gekommen. Mit von der Partie bei der «Geheimdiplomatie» war «laut Berichten» Charles Kupchan, einst Berater von Präsident Obama.

Zum Treffen verweigert Kupchan jeglichen Kommentar. Er rät bloss, russische Interessen zu berücksichtigen: «Die mögliche Aufnahme der Ukraine in die Nato ist in dieser Hinsicht ein besonders schwieriges Thema für Russland. Daher ist es vielleicht ratsam, die Diskussion über die Mitgliedschaft der Ukraine zu verschieben.»

Der Korb der Nato, abgekartet vor Monaten bereits? Hinter dem Rücken der Ukrainer?

Hat Biden nicht stets das Mantra runtergebetet: «Nichts über die Ukraine ohne die Ukraine»?

B.C News hat vor Tagen erstmals über das erwähnte Treffen berichtet.

Mit von Partie war neben Kupchan auch Richard Haass, ehemaliger Spitzendiplomat und der scheidende Präsident des Council on Foreign Relations.

Von einer «Geheimdiplomatie» will das Weisse Haus allerdings nichts wissen. «Die Biden-Administration hat diese Gespräche nicht sanktioniert», beeilte sich ein Sprecher des Aussenministeriums zu konstatieren.

Klingt wenig glaubwürdig. Die Biden-Regierung liess sich gemäss verschiedenen Quellen über die Gespräche direkt informieren.

Und die Tatsache, dass am Treffen mit den Amerikanern Russlands Aussenminister Sergei Lawrow teilgenommen hat, lässt schliessen, dass die ganze Sache durchaus mit der Biden-Regierung abgesprochen war. Sonst hätte Putins Mann für die Weltpolitik nicht mit der Gruppe gesprochen.

Dass an diesem Treffen die Würfel für eine Nicht-Aufnahme der Ukraine gefallen sind, wie Frontal21 suggeriert, entspricht indessen kaum der Wahrheit.
Nähme man die Ukraine während des Krieges in die Nato auf, würde das Bündnis automatisch in eine direkte Konfrontation mit Russland gerissen. Um das zu erkennen, braucht es keine «Geheimdiplomatie».

Ausserdem hat man mit Finnland und Schweden bereits zwei neue Mitglieder, die auf eine rasche Eingliederung warten. Vor dem Krieg hatte Putin mit schwerwiegenden Konsequenzen gedroht, sollte die Skandinavier der Nato beitreten. Putins Angriffskrieg hat sie dann zu genau diesem Schritt gedrängt – die Konsequenzen tragen nun die Russen: Deren direkte Grenze zum Nato-Gebiet ist auf einen Schlag um ganze 1340 Kilometern angewachsen.
Ob «Geheimtreffen» oder «Sondierungsgespräch» – bemerkenswert ist die Zusammenkunft zwischen Amerikanern und Russen in New York trotzdem: Sie dokumentiert, dass die USA seit geraumer Zeit nach Möglichkeiten suchen, den Krieg zu beenden.

So haben sich die beiden «Emissäre» Hass und Kupchan – wiederholt – als Fürsprecher für Verhandlungen bemerkbar gemacht. In einem langen Artikel für Foreign Affairs umrissen sie einen Plan, weg vom Schlachtfeld hin zum Verhandlungstisch. Titel: «Der Westen braucht eine neue Strategie in der Ukraine»