Manchmal machen Wahlen sogar vernünftig.

EU-Kommissions-Präsidentin Ursula von der Leyen möchte, dass bei den Wahlen zum EU-Parlament im Sommer die Mehrheiten so ausfallen, dass sie wieder Chefin werden kann. Und da ist es einerseits gut, die eigenen Parteigänger hinter sich zu scharen. Darüber hinaus ist es andererseits auch nötig, mehr als die eigenen Landsleute hinter sich zu bringen.

Deswegen hat von der Leyen jetzt fast einen Salto hingelegt. Die Vorkämpferin für die Energiewende präsentierte sich auf dem Atomgipfel der EU in dieser Woche als vehemente Fürsprecherin für die Atomkraft. «Wir dürfen nicht vergessen, dass Kernenergie weltweit nach der Wasserkraft die zweitgrösste Quelle für emissionsarmen Strom ist», sagte sie.

Und: Nuklearreaktoren könnten «einen zuverlässigen Anker für die Strompreise bilden und damit unsere Wettbewerbsfähigkeit gewährleisten». Sogar Subventionen stellt sie in Aussicht.

Von der Leyen vertritt damit die neue Mehrheitsmeinung. Innerhalb der EU hat sich eine Allianz von Staaten gebildet, die das Potenzial von Atomstrom neu bewerten wollen. Im vergangenen Jahr hatten sich elf europäische Staaten dazu zusammengeschlossen. Inzwischen ist die Allianz auf vierzehn EU-Mitglieder angewachsen und stellt damit die Mehrheit. Belgien, wo das Brüsseler Atomium die Kulisse für den Atomgipfel bildete, und die Niederlande sind zum Beispiel umgeschwenkt.

Die Deutschen sind bei dem Gipfel übrigens nicht aufgetaucht. Für sie ist Atomkraft Teufelszeug. So wie der Verbrennungsmotor, der Fleischkonsum, gefracktes Gas, genveränderte Pflanzen und Kurzstreckenflüge. Ach ja: und Kaminöfen. Es gibt viele internationale Konferenzen, bei denen sie künftig fehlen. Zu viele, findet jetzt offenbar sogar die deutsche Kommissions-Präsidentin.