Die Chefredaktoren des Tages-Anzeigers mussten sich entschuldigen für eine krasse Fehlleistung des Journalisten Kevin Brühlmann bei dessen Porträt über die Zürcher FDP-Stadtratskandidatin Sonja Rueff-Frenkel: «Im Artikel wurden ungewollt antisemitische Klischees bedient. In dem Porträt nehmen ausserdem die Rolle von Frau Rueff-Frenkels Religion und ihr Privatleben zu viel Raum ein, insbesondere im Vergleich zu Artikeln über andere Kandidatinnen und Kandidaten.»

Statt sich gewissermassen für einen «ungewollten» Ausrutscher zu entschuldigen, sollten sich die Chefredaktoren von Tamedia grundsätzlichere Gedanken machen, wes Geistes Kind ihre Journalisten sind.

Kevin Brühlmann hat nach eigenen Angaben schon als Siebzehnjähriger ein Che-Guevara-Leibchen getragen. Bis vor kurzem schrieb er für die sozialistische Schaffhauser AZ, ein Blatt mit kommunistischer Vergangenheit. Mit einem Bericht über einen bösen Weltkonzern und das noch bösere «Steuerparadies Schaffhausen» holte er sich einen Journalistenpreis.

Niemanden muss verwundern, wenn sich der kämpferische Antikapitalist Brühlmann beim Ehepaar Rueff-Frenkel für dessen «Paradeplatz-Kanzlei» und Vermögen interessiert («besitzen eigene Immobilien», «sollen Millionäre sein»). Die freisinnige Stadtratskandidatin habe die Ausstrahlung einer «Sparkassen-Kundenberaterin», bei der man noch für jede Kleinigkeit «einen vernünftigen Zins erhält».

Ist der Antikapitalist beim Zins-Geben angelangt, ist das Judentum nicht mehr weit. Und damit wiederum der Pfui-Kapitalismus: «Ihre Kinder besuchen eine jüdische Privatschule.» Mehr noch: «Ein Schuljahr kostet zwischen 19.000 und 28.000 Franken.»

Und nochmals über Sonja Rueff-Frenkel: «Sie hilft einer streng jüdisch-orthodoxen Mädchenschule, wo konservative Geschlechter-Bilder vermittelt werden, einen neuen Standort zu finden.»

Und schon hämmert der Tamedia-Mann weiter auf orthodoxe Frauen ein, die «bei Beginn ihrer Menstruation als unrein» gälten und «von ihren Ehemännern nicht berührt werden» dürften. Diese «unterdrückte Sexualität», so Brühlmann, passe nicht mit der Gleichstellung zusammen.

Befangen in ihrem vulgärsozialistischen Weltbild, besessen von Gender-Wahn und cancel culture, geschichtsblind und intolerant, merken Jungjournalisten wie Kevin Brühlmann überhaupt nicht, wie sie das duldsam-humanistische Zusammenleben mit Füssen treten.

Wenn man die politischen Standpunkte von Stadtratskandidatin Sonja Rueff-Frenkel miteinander verbinden würde – schliesst der Porträtist Brühlmann im Tages-Anzeiger – «ergäbe das bestimmt ein schönes Spinnennetz». Auch dieses Spinnennetz hatten wir schon mal. Im Februar 1930, im Nazi-Hetzblatt Der Stürmer.