«Wenn Wörter ihre Bedeutung verlieren, verlieren Völker ihre Freiheit», sagte einst der weise Konfuzius. Genau dies passiert gegenwärtig bei den Verhandlungen um ein neues Rahmenabkommen mit Brüssel. In der Sprache der Gauner versuchen Bundesräte, Diplomatie und Medien, die Öffentlichkeit mit falschen Begriffen zu täuschen und zu willfährigen Kopfnickern zu machen.

Gaunerwort eins: «Bilaterale III». Weil das Wort «bilateral» in der Schweiz einen guten Klang hat und der bilaterale Weg von den Stimmbürgern verschiedentlich bekräftigt worden ist, nennen nun Economiesuisse und andere Wirtschaftsverbände das neue institutionelle Abkommen «Bilaterale III». In Wahrheit macht die EU seit 2008 unmissverständlich klar, dass der bilaterale Weg von Gleich zu Gleich, auf Augenhöhe, zu Ende sei. Beim neuen Vertragspaket handelt es sich im Gegensatz zu den Bilateralen I und II um ein institutionelles Abkommen mit automatischer Rechtsübernahme, womit die EU in der Schweiz zum Gesetzgeber würde. Auch hätte das EU-Gericht der Gegenpartei im Streitfall das letzte Wort, und bei «falschen» Entscheiden des Souveräns dürfte die EU Strafmassnahmen erlassen. Eine Guillotineklausel sorgt dafür, dass beim Wegfall eines Vertrags – etwa der misslichen Personenfreizügigkeit – auch die übrigen Verträge des Pakets dahinfallen.

Gaunerwort zwei: «Marktzugang». Das neue Anbindungsabkommen sei nötig für den Marktzugang, behauptet Bundespräsident Viola Amherd dreist. In Wahrheit hat die Schweiz Zugang zum gesamten EU-Binnenmarkt seit dem Freihandels-Abkommen von 1972. Und wo noch immer Hürden bestehen könnten, verbieten diese die Welthandelsorganisation WTO. Die Schweiz ist Teilnehmerin am EU-Binnenmarkt, nicht aber Mitglied dieses Binnenmarktes. Die EU importiert für zwanzig Milliarden Franken mehr, als die Schweiz umgekehrt exportiert – und dennoch soll unser Land regelmässig Milliarden an «Zutrittsgebühren» bezahlen. Genau wie mit der EU hat die Schweiz über dreissig andere Freihandelsabkommen mit über vierzig Partnern abgeschlossen, etwa mit China. Verlangt die Schweizer Politik oder China deswegen, dass wir chinesisches Recht übernehmen müssen?

Gaunerwort drei: «Rechtssicherheit». Das neue institutionelle Abkommen mit der EU erhöhe für die Schweiz die Rechtssicherheit, wird allenthalben behauptet. Wahr ist das Gegenteil: Wenn die EU ihre Gesetze jederzeit ändern kann und die Schweiz diese Änderungen automatisch übernehmen muss, ist Schluss mit jeder Rechtssicherheit. Wir wären dann den intransparenten Entscheidungswegen der Brüsseler Eliten gänzlich ausgeliefert. Rechtssicherheit bieten einzig bilaterale, also zweiseitige Verträge unter Gleichberechtigten. Auch diese bringen nie nur Vorteile oder nur Nachteile für die eine oder andere Seite. Aber sie gelten so lange und bieten Rechtssicherheit, bis eine Seite sie kündigt und sie neu ausgehandelt werden müssen.

Gaunerwort vier: «Friedensprojekt EU». Zwar wurde die EU auf den Trümmern des Zweiten Weltkriegs gegründet, um einen solchen Höllensturz künftig zu verhindern. Dennoch wäre die Vorstellung falsch, es brauche die Brüsseler Bürokratie, damit die europäischen Völker nicht wie Kettenhunde blutig übereinander herfallen. In Wahrheit gab es in der Weltgeschichte kaum je Kriege zwischen Demokratien. Entscheidend für den Frieden also ist die Staatsform der Demokratie. Überdies war die EU noch nie so nahe daran, selber Kriege zu führen, wie heute. Deutschland überlegt sich die Lieferung von weitreichenden zerstörerischen Flugkörpern an die Ukraine. Frankreich will Fusstruppen an die Front schicken. Und EU-Kommissions-Präsidentin Ursula von der Leyen verlangt die Aufnahme der Krieg führenden Ukraine in die EU. Wenn die Europäische Union irgendwann kein Friedensprojekt war, dann jetzt. Und wenn die neutrale Schweiz irgendwann keinen Grund hatte, sich an diese EU auf Gedeih und Verderb anzudocken, dann jetzt. «Eidgenossen, hütet euch am Morgarten!», hiess es 1315. Gilt diese Devise zum Besten unseres Landes auch noch 2024?