Ab Ende November präsentiert das Schauspielhaus Zürich die «Porny Days». Versprochen wird unter anderem «ein radikales Manifest mit Live-Sex».

Pornofestival am Schauspielhaus

Für Pornografie gibt es im Strafrecht Grenzen, die sich allerdings im Laufe des letzten Jahrzehnts immer weiter verschoben haben. Die heutige Rechtslage: Strafbar macht sich, wer pornografische Schriften, Ton- und Bildaufnahmen oder pornografische Vorführungen einer Person unter 16 Jahren anbietet oder über die Medien ausstrahlt. Die Freiheitsstrafe reicht bis zu drei Jahren.

Ebenfalls strafbar ist, solche Gegenstände oder Vorführungen öffentlich auszustellen oder unaufgefordert anzubieten. In geschlossenen Räumen gegenüber einem Publikum, das auf den pornografischen Charakter hingewiesen ist, bleibt das straflos. Strafbar ist auch, minderjährige Personen anzuwerben, damit diese an pornografischen Vorführungen mitwirken. Die Freiheitsstrafe beträgt auch hier bis zu drei Jahre.

Natürlich stellt sich die Frage, was überhaupt pornografisch ist. Allgemein gilt nicht einfach der nackte Körper, sondern zum Beispiel Geschlechtsakt, Grossaufnahmen von Geschlechtsteilen und so weiter als pornografisch. Natürlich neben dem eigentlichen Geschlechtsakt auch Varianten davon wie Oral- oder Analsex. Diese Art der Pornografie ist aber grundsätzlich nicht strafbar, wenn sie einem Publikum gezeigt wird, das sich damit einverstanden erklärt und dessen Teilnehmer über 16 Jahre alt sind.

Früher galt als harte, generell verbotene Pornografie zum Beispiel noch das Zeigen menschlicher Ausscheidungen. Heute nicht mehr. Selbst auf einer Bühne dürften die Darsteller also nicht nur den Geschlechtsakt ausführen, sondern sich sogar anpinkeln und Weiteres.

Die Pornobestimmung Art. 197 StGB sieht vor, dass Gegenstände oder Vorführungen im Sinne der Bestimmung nicht pornografisch sind, wenn sie einen schutzwürdigen, kulturellen oder wissenschaftlichen Wert haben. Ebenso sieht die Bestimmung über Gewaltdarstellungen vor, dass eine Strafbarkeit nur dann besteht, wenn kein schutzwürdiger, kultureller oder wissenschaftlicher Wert vorliegt.

Dieser spezielle Rechtfertigungsgrund ist im Einzelfall zu beurteilen. Würde also das Schauspielhaus auf der Bühne einen Schauspieler ein Schaf bumsen lassen oder Oralsex mit einem Kind darstellen – ich hoffe, dass das nicht der Fall ist –, so wäre wohl kaum eine kulturelle Rechtfertigung zu finden. Auch eine besondere wissenschaftliche Rechtfertigung läge dann in weiter Ferne.

Bei einer grossangelegten Veranstaltung wie dem Pornofestival am Schauspielhaus ist es sicher keine Rechtfertigung, dass Steuerzahler, Kantonalbank und Migros die Finanzierung tragen. Eine Rechtfertigung könnte, wenn es überhaupt zur Darstellung harter Pornografie kommt, ein wesentliches kulturelles oder wissenschaftliche Interesse sein.

Die Wissenschaft kann man hier getrost einfach abhaken, ebenso wie der vielzitierte Kampf gegen den Klimawandel hier wohl auch nicht als Rechtfertigungsgrund herhalten kann. Es bleibt also die kulturelle Seite.

Bei aller vollmundigen Vorankündigung gehe ich davon aus, dass sich die Darstellungen des Schauspielhauses im Bereich des relativ braven Softpornos bewegen werden. So verwegen und unglaublich kühn, wie die Vorankündigungen es darstellen, dürfte die Realität wohl nicht sein.

Erotik oder vermeintliche Erotik in je nach zeitlicher Auffassung grenzwertiger Form galt schon immer als probates Provokationsmittel, dass Aufmerksamkeit nicht nur aus politischen Gründen auf sich zog. So zum Beispiel Lady Godiva mit ihrem Nacktritt oder die Studentinnen der neuen Linken, die in Adornos Vorlesung mit entblössten Busen protestierten, später auch russische protestierende Frauengruppen, die jeweils mit entblösster Brust auftraten.

Das Schauspielhaus bringt also nichts Neues, sondern knüpft an uralte Traditionen an. Der brave Bürger wird in dieser Aufführung wohl nicht geschockt mit grossen Auge und – sofern männlich – erigiertem Glied sitzen, sondern sich wohlig lächelnd zurücklehnen und an die viel schärferen, zu Hause angesehenen Internetclips denken.

Kein Gewitter also der kulturellen Erotikrevolution, sondern höchstens ein paar Regentröpfchen.

Valentin Landmann ist Rechtsanwalt in Zürich.