Lima

Die Ausrede hätte fadenscheiniger kaum sein können: Er habe letzte Woche bei einem Sturz zu Hause den Kopf angeschlagen, rechtfertigte sich der brasilianische Präsident Lula da Silva. Er fühle sich zwar topfit, doch die Ärzte hätten ihm von einer langen Reise nach Russland abgeraten. Lula nahm daher nur virtuell am Brics-Gipfel teil. Per Video aus dem Homeoffice.

Wer’s glaubt, wird selig.

Der wahre Grund für Lulas Absenz dürfte bei Venezuelas Diktator Nicolás Maduro liegen, der sich kurzfristig für einen Ausflug nach Kasan entschieden hatte, wo ihm sein Freund und Gönner Wladimir Putin einen warmherzigen Empfang bereitete. Aus dem Antrag Venezuelas auf Mitgliedschaft bei den Brics wurde dann allerdings nichts. Brasilien hatte ein Veto eingelegt.

Lula da Silva hat von Gaddafi über Assad bis Castro schon manch einen unapetitlichen Potentaten umarmt. Maduros Ziehvater Hugo Chávez, der keinen Deut besser war, gehörte zu seinen engsten Verbündeten. Zusammen mit Fidel Castro hatte Lula die sozialistische Allianz «Foro de São Paulo» gegründet. Und selbstverständlich hatte Brasilien auch nichts gegen das Beitrittsgesuch von Kuba bei den Brics einzuwenden.

Doch das unvermeidliche Gruppenbild mit Nicolás Maduro aus Kasan wäre selbst für Lula da Silva, der sich gerne als Retter der Demokratie aufspielt, der Doppelmoral zu viel gewesen. Über eine halbe Million Elendsflüchtlinge aus Venezuela leben im benachbarten Brasilien. Die Zahl wächst täglich.

Lulas Eiertanz steht symptomatisch für Brasiliens Ambivalenz. Offiziell rechnet man sich zwar den westlichen Demokratien zu. Doch man hatte nie Bedenken, mit Diktaturen zu kooperieren.

Kaum ein anderes Land hat die westlichen Sanktionen gegen Russland hemmungsloser unterlaufen. Beim Aufbau der in Schanghai domizilierten New Development Bank, welche das Dollar-Monopol im Welthandel knacken will, spielt Brasilien, welches nächstes Jahr auch die Präsidentschaft der Brics einnehmen soll, eine führende Rolle.

Demokratie und Menschenrechte sind in Brasilien gut für Sonntagsreden. Doch wenn es um Geld und nationale Interessen geht, bleibt die Moral schön aussen vor.