Die zehnten EU-Parlamentswahlen finden zwischen dem 6. und dem 9. Juni 2024, das heisst in rund drei Monaten, statt.

Es ist teils eine Scheinwahl, denn letztlich bestimmen die Parteien und die Regierungen hinter verschlossenen Türen, wer ins Parlament und in die Kommissionsämter einziehen darf. Ohne von einer in einem Land offiziell zur EU-Wahl zugelassene Partei portiert zu werden, darf kein Bürger für das EU-Parlament kandidieren.

Als Paradebeispiel für undemokratische Vetternwirtschaft bei der Besetzung der höchsten EU-Ämter sei die Wahl der amtierenden Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen in Erinnerung gerufen, die nicht einmal einen Wahlkampf bestritt, während der Spitzenkandidat der EVP, Manfred Weber, nach seiner intensiven europaweiten Kampagne kurzfristig ausgebootet wurde.

In der EU herrscht auch keine strikte Gewaltentrennung zwischen Gesetzgebung, Exekutive und Gerichten. Das Parlament kann zwar Gesetze und die Besetzung der EU-Kommissionsposten absegnen, aber selbst keine Gesetze initiieren. Über die endgültige Verabschiedung der Gesetze entscheidet zudem der Rat der Staats- und Regierungschefs, die Exekutive. Das Gleiche trifft für die Budgets der EU zu. Das Wahlsystem schreibt einzig das Verhältniswahlrecht vor, wobei die genaue Ausgestaltung den Mitgliedstaaten überlassen wird. So gelten auch diesmal in den einzelnen Staaten unterschiedliche Regelungen zur Sperrklausel, zum Beispiel in Deutschland keine Sperrklausel, in Österreich 4 Prozent.

Das urdemokratische Prinzip «ein Mensch, eine Stimme» kommt bei den EU-Wahlen nicht zum Zug. Dass kleine Länder ein Minimum an Sitzen erhalten, lässt sich noch verantworten, aber dass für grosse Länder eine Höchstzahl von 96 festgelegt wurde, ist eine Diskriminierung Deutschlands, das als einziges Land davon betroffen wird. Die Bundesrepublik erhält nur 13,3 Prozent der Sitze, während sie 18,8 Prozent der EU-Bevölkerung stellt, 24,4 Prozent des EU-BIPs erwirtschaftet und 23,7 Prozent der EU-Beiträge bestreitet.

Die kleinsten zehn Länder verfügen über gleich viele Sitze wie Deutschland, zählen aber nur 5,5 Prozent der EU-Bevölkerung, erzielen nur 6,4 Prozent des EU-27-BIP und bezahlen nur 5,3 Prozent der EU-Beiträge. Die kleinsten zehn Länder verfügen nicht nur über gleich viele Parlamentssitze wie Deutschland, sondern auch über zehn Staatschefs und Kommissare, ein Vielfaches der «Milchkuh» der EU. Aufgrund der Bevölkerung müsste Deutschland eigentlich 135 Mandate im EU-Parlament erhalten, 41 Prozent mehr als die 96, die ihr zugestanden werden.

Der Rechtstrend bei den nationalen Wahlen wird sich wohl auch im EU-Parlament niederschlagen. Die Umfragen sind zwar noch wenig stabil, weil sie oft lediglich aufgrund der derzeitigen Parteienstärken in den nationalen Parlamenten oder der Umfragen für die nationalen Parlamente basieren. Dennoch kann man davon ausgehen, dass die drei ideologischen Blöcke, die bürgerliche Volkspartei und die Liberalen etwa 4 Prozent, die drei links-grünen Parteien knapp 6 Prozent Wähleranteile einbüssen werden.

Die rechten zwei Parteien werden etwa 5 Prozent zulegen. Die restlichen Gewinne gehen gemäss den letzten Umfragen ins Lager der Fraktionslosen und Unabhängigen, aber ein Teil ihrer 73 errechneten Mandate werden nach den Wahlen in den sieben grossen Fraktionen, vor allem in den rechten Parteien, Unterschlupf finden. Es wird zu einem Rechtsrutsch kommen, aber er wird zu zaghaft ausfallen, um einen Kurswechsel herbeizuführen. Sollte sogar Ursula von der Leyen als Kommissionspräsidentin wiedergewählt werden, sind weitere sechs Jahre EU-Abstieg programmiert.

Bei ihrer jüngsten Europawahl-Konferenz in Rom haben die Sozialisten darüber diskutiert, welche Konzessionen sie von Kommissionspräsidentin von der Leyen für eine Unterstützung ihrer Wiederwahl einfordern könnten, denn die EVP (EPP) müsse mit Stimmenverlusten rechnen, so dass sie auf die Sozialisten angewiesen seien. Da die heutige EU-Politelite alles für ihren Machterhalt unternehmen wird, muss man damit rechnen, dass die Zwangsheirat mit dem linken Lager gegen die rechten Parteien insgesamt auch zu einem Linksrutsch der Kommission führen wird, denn die Sozialisten werden vor allem dort mehr Einfluss einfordern.