Die Bilanz der drei Landtagswahlen im Osten hat eine klare Botschaft: Wenn sie sich richtig reinhängen, können starke Persönlichkeiten mit Amtsbonus wie Michael Kretschmer (CDU) in Sachsen und Dietmar Woidke (SPD) in Brandenburg noch Wahlen gewinnen und Mehrheiten hinter sich bringen.

Klar ist aber auch, dass die AfD und das Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW) als klare Konterkräfte zum etablierten Politikbetrieb nahezu die Hälfte der Wähler ansprechen. Unter den jugendlichen Wählern hat die AfD klar die Nase vorn.

Vor allem für die SPD sind die drei Wahlen mehr als ein Alarmsignal. In Sachsen und Thüringen hat die älteste Partei Deutschlands verheerend verloren, in Brandenburg hat sie durch klare Abgrenzung von der Bundespartei und vor allem vom SPD-Bundeskanzler gewonnen, der im Wahlkampf ausdrücklich nicht erwünscht war und am Sonntag einen «Zukunftsgipfel» bei den Vereinten Nationen in New York der heimischen Wahlparty vorzog. Die Zukunft der SPD bei der kommenden Bundestagswahl liegt derweil eher im Ungewissen.

Die AfD wird sich im Nachgang fragen müssen, warum es ihr in letzter Instanz nicht gelingt, als gesellschaftliches Korrektiv auch wirklich Wahlen so klar zu gewinnen, dass an ihr nicht mehr vorbeiregiert werden kann. Ungehobeltes Personal und zum Teil völlig unbürgerliches Betragen von Mitgliedern könnten ein Grund sein für die mangelnde gesellschaftliche Anschlussfähigkeit.

Die FDP ist im Osten derzeit im Grunde nicht mehr vorhanden und versucht das mit einem gespielten Schulterzucken zu ignorieren, nach dem Motto: traditionell schwieriges Terrain ohne liberales Bürgertum. Bei ehrlicher Betrachtung wird man freilich nicht umhinkommen zu konstatieren, dass die Beteiligung an der Ampelregierung im Bund die Partei ruiniert. Bundestagsvizepräsident Wolfgang Kubicki (FDP) gab gestern denn auch zu Protokoll, er glaube nicht, dass die Ampel das Weihnachtsfest noch erreiche.

Für die Grünen war der Osten ebenfalls nie ein wirkliches Heimspiel. Gerade in ländlichen Regionen reagieren die Wähler noch allergischer auf Hinweise zu Heizungen, korrekten Essgewohnheiten und ökologischem Landbau als in den Städten.

Die Tatsache, dass neben den etablierten Parteien immer mehr kleine Akteure wie Werteunion, Bürgerbündnis, Freie Wähler etc. aus dem Boden schiessen, ist ein weiteres Indiz für die Unzufriedenheit der Deutschen. Revolutionen sind allerdings bislang ausgeblieben. Schalten Sie auch nächstes Jahr wieder ein, wenn es heisst: Deutschland wählt. Irgendwie. Irgendwas. Und macht dann einfach weiter.

Ralf Schuler ist Politikchef des Nachrichtenportals NIUS und betreibt den Interview-Kanal «Schuler! Fragen, was ist». Sein Buch «Generation Gleichschritt. Wie das Mitlaufen zum Volkssport wurde» ist bei Fontis (Basel) erschienen. Sein neues Buch «Der Siegeszug der Populisten. Warum die etablierten Parteien die Bürger verloren haben. Analyse eines Demokratieversagens» erscheint im Herbst und kann schon jetzt vorbestellt werden.