Der grüne Politiker Boris Palmer mutierte in der Corona Pandemie zeitweise zum Freiheitsengel der Gastronomen. Zu einem Politiker mit Mass und Verstand.

Sein Tübinger Modell – inklusive frühzeitiger Massentests – ermöglichte Öffnungen, als der grösste Teil Deutschlands noch starr im Lockdown verharrte und vom Restaurantbesuch nur träumen konnte.

Mir imponierte Palmers beherztes Eingreifen. Sein kritisches Denken. Auch, dass die Freiheit, inklusive der Ausübung des Berufes, noch einen Wert für ihn zu haben schien.

Nun schlägt Tübingens Oberbürgermeister ungewohnte Töne an: In der Bild-Zeitung fordert er die «sofortige Impfpflicht». Wie er das durchsetzen möchte? Mit der Verweigerung des Arbeitsplatzes oder dem Stopp der Rentenzahlung. Und zwar bis zum 15. Januar. Spätestens.

Das geht dem grünen Politiker aber noch nicht weit genug: Auf Facebook schliesst Palmer jetzt auch die Beugehaft für Impfunwillige nicht aus. Einer Nutzerin antwortet er: «Sie sind schlicht komplett ignorant. Für Leute wie Sie muss die Impfpflicht her. Gerne bis zur Beugehaft.»

Sag mal, geht’s noch? Wie kann ein amtierender Politiker einer Bürgerin via Facebook mit Beugehaft drohen? Er müsste​ doch darüberstehen?

In was für einem Land lebe ich? Für mich ist Palmers Sinneswandel die Kehrtwende des Jahres. Vom Freiheitsengel zum Impf-Rambo.

Ich bin mir sicher: Eine höhere Impfquote erzielen wir nur mit Vertrauen. Und Politikern, die beherzt, aber mit Bedacht agieren.