Zuerst herrschte Stille. Jetzt bläst Brüssel ins Jagdhorn.

Nach der beispiellosen Annullierung der Präsidentenwahl in Rumänien reagierte Brüssel mit peinlichem Schweigen. Jetzt beginnt die Treibjagd. Nicht gegen die Bukarester Elite von Richtern und Regierendern. Sondern gegen Tiktok.

Die Europäische Kommission eröffnet ein förmliches Verfahren gegen den chinesischen Social-Media-Kanal. Er stehe im Verdacht, gegen das Gesetz über digitale Dienste (DSA) verstossen zu haben.

Dass die Präsidentenwahl am 6. Dezember annulliert wurden – ein absolutes Novum in der EU –, daran findet Brüssel nichts Störendes. Die Kommission «überlässt es den rumänischen Bürgern, über ihr Schicksal zu entscheiden, und unterstützt freie und faire Wahlen», so die Kommissionssprecherin nach der Wahlabsage.

Eine Untersuchung dieses gravierenden Entscheids fand die EU-Spitze nicht nötig. Weitere Erklärungen zu diesem Thema wurden keine abgegeben.

Jetzt aber schickt Brüssel seine Spürhunde aus.

«Wann immer wir eine solche Einmischung vermuten, insbesondere bei Wahlen, müssen wir schnell und entschieden handeln», erklärt Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen.

«Nach ernsthaften Hinweisen darauf, dass sich ausländische Akteure mit Hilfe von Tiktok in die rumänischen Präsidentschaftswahlen eingemischt haben, untersuchen wir nun gründlich, ob Tiktok gegen das Gesetz über digitale Dienste verstossen hat, indem es derartige Risiken nicht bekämpft hat.»

«Ernsthafte Hinweise»? Die vom rumänischen Geheimdienst publizierten Akten enthalten keine Beweise für eine Einflussnahme durch Russland oder andere «ausländische Akteure», wie die Weltwoche in verschiedenen Beiträgen berichtete.

Im Übrigen gibt es in Demokratien Einflussnahme auf Wähler zuhauf. Allen voran durch offizielle Medien, die konzertierte und massive Kampagnen fahren gegen missliebige Kandidaten wie Donald Trump in den USA.

«Eines weiss ich mit Sicherheit: Diejenigen, die für Georgescu gestimmt haben, sind keine Bots, keine digitalen Roboter, sie sind menschliche Wesen», sagt Mihail Neamtu, Abgeordneter der grössten Oppositionspartei, der nationalkonservativen AUR.

Er vermutet hinter der Untersuchung der EU-Kommission politische Motive. «Die Untersuchung wird ewig dauern, bis sie zu einem Ergebnis kommt. Sie tun dies als Teil einer psychologischen Operation», die sich letztlich gegen einen unliebsamen Kandidaten – Calin Georgescu – richte, dessen nationalkonservative Politik man in Brüssel nicht möge. Und den man als Handlanger Putins diffamiere.

Derweil läuft das Mandat des amtierenden Präsidenten Klaus Johannis am 21. Dezember aus.

Doch der Mann, der sich gegen die Wahlannulation starkgemacht hat, hält sich weiter an der Macht. Ein neues Datum für die Wiederholung der Präsidentenwahl wurde bislang nicht bekanntgegeben.