Am Dienstagmorgen geht’s los mit dem diesjährigen World Economic Forum (WEF) in Davos. Um das globale Publikum auf das offizielle Thema «Rebuilding Trust» einzustimmen, hat WEF-Gründer Klaus Schwab den chinesischen Regierungschef Li Qiang eingeladen.

Vertrauen neu aufbauen – das ist wohl nötig, wenn die Weltwirtschaft sich von der Covid-Pandemie von Grund auf erholen soll – und genau das wird Li thematisieren. Die Sprecherin des chinesischen Aussenministeriums, Mao Ning, sagte, «China will Kommunikation und gegenseitiges Verständnis fördern, um wirtschaftliche Erholung weltweit voranzubringen».

Amerikanische Aus- und Einfuhrverbote unter dem Vorwand «nationaler Sicherheit» haben der chinesischen Wirtschaft geschadet. Von Brüssel angestrebte punitive EV-Tarife würden sowohl Chinas EV-Industrie wie EU-Konsumenten schaden.

Li Qiang spielt in diesem Zusammenhang eine wesentliche Rolle.

Er ist der vormalige Gouverneur der wirtschaftlich wichtigsten Stadt Chinas, Schanghai, mit dreissig Millionen Einwohnern und einem Bruttosozialprodukt von 680 Milliarden US-Dollar. In enger Zusammenarbeit mit Präsident Xi Jinping hat er die Wirtschaft und den Aktienmarkt von Schanghai während seiner Amtszeit dort auf Vordermann gebracht.

Xi hat Li Qiang dann vor einem Jahr zum Premier vorgeschlagen (das heisst: gemacht) und ihm die wirtschaftliche Führung übertragen. Seine Ausbildung hat er mit einem MBA an der Hong Kong Polytechnic University (2005) abgeschlossen. Unter anderem hat er in Zusammenarbeit mit Elon Musk in nur neun Monaten in Schanghai eine der grössten Tesla-Fabriken gebaut.

In seiner Neujahrsrede gab Xi Jinping die Richtung für die chinesische Wirtschaft für 2024 an. Letztes Jahr habe es viel «(Gegen)wind und Regen» gegeben, sagte er, aber auch wichtige eigenständige Entwicklungen im Hochtechnologie-Bereich. Die Hauptsache für das Jahr 2024 sei, dass «wir die Reformen vertiefen und die Öffnung in allen Richtungen erweitern».

Diese Ausrichtung ist schon seit längerer Zeit nicht so deutlich betont worden. Chinesische Beobachter sahen in dieser Betonung von Reform und Öffnung (nach aussen) eindeutig die Handschrift von Li Qiang.

Vor seinem Davos-Auftritt hat Li der Schweiz einen offiziellen Besuch abgestattet und wird danach auf seiner Europa-Tournee Dublin besuchen. Diese Visiten sollen den Anfang für ein neues «hochgradiges» Europa-Engagement Chinas bilden, sagt das chinesische Aussenministerium.

In der Schweiz hat sich Li mit Bundespräsidentin Viola Amherd und führenden Regierungsvertretern getroffen; unter anderem ging es um Erweiterung der strategischen Partnerschaft, die 2016 etabliert wurde.

China sieht die Schweiz als wichtigen entry point für erweiterte wirtschaftliche und besonders auch politische Beziehungen mit Europa. Eine wirtschaftlich realistische und politisch neutrale Schweiz wird von China geschätzt.

Uwe Parpart ist Herausgeber der Online-Tageszeitung Asia Times. Er war Asien-Stratege bei der Bank of America in Hongkong sowie Offizier in der Deutschen Marine.