Am 19. September 2023 erhielt der Rentner Andreas Sengl frühmorgens Besuch von drei Polizisten. In Vollmontur und mit Waffen durchsuchten sie seine Wohnung im Raum Zürich («Deutschlands Innenministerin jagt Rentner in der Schweiz», Weltwoche Nr. 10/24). Der Grund dafür war ein Post, den Sengl wenige Monate zuvor auf Facebook geteilt hatte.

In diesem war ein Umspannwerk zu sehen mit dem Begleittext: «Kletterspass für Flüchtlinge und Grüne. Viel Spass und bitte nicht drängeln, es kommen alle dran.» Sengl betrachtete das als Satire. Gar nicht zum Lachen war es den Strafverfolgungsbehörden.

Das deutsche Bundeskriminalamt (BKA), das Innenministerin Nancy Faeser unterstellt ist, gelangte in dieser Angelegenheit am 30. Mai 2023 an das Bundesamt für Polizei (Fedpol). Zuvor hatte Facebook das BKA auf Sengls Post aufmerksam gemacht. Kurz darauf leitete die Zürcher Staatsanwaltschaft See/Oberland ein Verfahren ein. Verantwortlich dafür war Staatsanwalt Ulrich Vollenweider. Sengl wurde beschuldigt, zu Verbrechen oder Gewalttätigkeit aufgerufen zu haben.

Gegenüber der Polizei erklärte er, den Kommentar lediglich geteilt zu haben. Umso überraschter war er später von der Hausdurchsuchung. «Ich dachte, ich sei im falschen Film», sagte er. Im Oktober 2023 wurde der Rentner verurteilt. Dagegen erhob er erfolgreich Einsprache. «Der Inhalt des Bildes ist nicht ausreichend konkret, um die Adressaten zu einer bestimmten Handlung zu bewegen», lautete die Begründung in der Einstellungsverfügung.

Sengls Post mag deplatziert sein. Doch die Frage stellt sich: Ist die Staatsanwaltschaft in der Causa Sengl übers Ziel hinausgeschossen? War die Hausdurchsuchung ein Ausrutscher eines «fehlgeleiteten Staatsanwaltes»? Das wollten die SVP-Kantonsräte Roland Scheck und Christoph Marty vom Zürcher Regierungsrat wissen.

Die Einschätzung der Zürcher Justizdirektorin Jacqueline Fehr ist ziemlich eindeutig. Die Justizbehörden haben alles richtig gemacht, lautet die Stossrichtung ihrer Antwort, die inzwischen publik ist. «Die Strafverfolgungsbehörden sind bei Offizialdelikten (…) verpflichtet, den ihnen zur Kenntnis gebrachten Vorwurf zu untersuchen», heisst es in der Begründung von Fehrs Direktion, die das Vorgehen von Ulrich Vollenweider verteidigt. Dieses stelle «keinen ‹Amtsmissbrauch›» dar.

Ob ein solcher vorliege, wollten Scheck und Marty unter anderem von Fehr wissen. Von den Antworten des Regierungsrats zeigt sich Marty wenig beeindruckt. «So wie ich das einschätze, sind die Verfehlungen des Staatsanwalts Vollenweider nur die Spitze des Eisbergs», sagt der Kantonsrat gegenüber der Weltwoche.

Laut Marty liegt bei der Staatsanwaltschaft «einiges im Argen». Und das sehe nicht nur er so: «Das scheint parteiübergreifend anerkannt zu sein.» Ungeachtet dessen werde der Justizapparat immer weiter aufgeblasen. «Mit der anstehenden Budgetdebatte wird wieder versucht werden, Probleme mit zusätzlichem Geld zuzuschütten.»

Pikant: Innerhalb der letzten zehn Jahre ist es nie vorgekommen, dass ein Staatsanwalt entlassen worden ist. Auch dies geht aus der Antwort hervor. Dazu Marty nüchtern: «Wenn man mal drin ist, ist man drin und kann eigentlich machen, was man will.»

Machen, was man will, heisst in dem Fall: Wenn Faesers Innenministerium in Deutschland einen Schweizer Rentner ins Visier nimmt, dann spurt man in Zürich. Was Faeser, die jüngst die Zeitschrift Compact verboten hat, macht, das wird schon recht sein. Beginnt man demnächst auch, Zeitungen hierzulande zu verbieten?