Woke sein bedeutet ursprĂŒnglich: Wachsamkeit gegenĂŒber Vorurteilen, Rassismus und Sexismus. Es bedeutet auch, sich gegen soziale Ungerechtigkeiten zu wenden. Das ist ja durchaus gut.

Aber «woke» als Mode, wie sie derzeit grassiert, ist alles andere als gut. Weder gesund noch gesellschaftlich sinnvoll. Zwei finnische Studien der University of Turku – soeben publiziert im Scandinavian Journal of Psychology – zeigen: Wer woke denkt und handelt, leidet öfter unter Depressionen oder AngstgefĂŒhlen. Dazu wurden mehr als 5000 Probanden untersucht.

Das ist nicht weiter ĂŒberraschend. Die kritische Psychologie weiss seit langem: Positives und angepasstes Denken ist ungesund. Viel besser ist es, auch manchmal zu schimpfen, den Ärger zu artikulieren, statt schweizerisch die Faust im Sack zu machen, des Öfteren auch mal zu fluchen – und: Wut ist gut. Wer das berĂŒcksichtigt, lebt lĂ€nger, besser, zufriedener und vor allem authentisch – im richtigen Leben und nicht am Leben vorbei.

Und gesellschaftlich: Das freie Äussern und Konkurrieren von Meinungen ist eine Voraussetzung fĂŒr das Funktionieren einer demokratischen Gesellschaft. Bestimmend fĂŒr die Demokratie sind nicht Harmonie, Einklang und Wokeness, sondern Widerspruch, Streit und Konflikt.

Wir sollten uns wohl wieder an einen sinnvollen Toleranzbegriff erinnern, wie er frĂŒher in der Schweiz auch ĂŒblich gewesen ist: andere Meinungen zulassen  – auch und gerade Meinungen, die der eigenen widersprechen. Nur das ist auch politisch produktiv.