Sportunterricht sei traumatisierend, diskriminierend und Bodyshaming. Das findet die Gruppe «Schüler:innen gegen Sport» und fordert die Abschaffung des Sportunterrichts. Darüber berichtete Nau.ch. Auf Tiktok ruft die Gruppe andere Kinder dazu auf, an ihrer Schule Aktivismus gegen das Fach zu betreiben.

Dass junge Menschen Kuschelatmosphäre hartem Drill vorziehen, halte ich für völlig normal, das war bei uns früher nicht anders. Bemerkenswert ist die eifrige Unterstützung, die sie von vielen Erwachsenen erhalten. Die haben es sich zum Ziel gesetzt, jeglichen Leistungs- und Wettbewerbsdruck von ihnen fernzuhalten. So hat man in Deutschland die Wettkämpfe bei den Bundesjugendspielen gestrichen, aus Rücksicht auf weniger sportliche Kinder. Der Deutsche Fussball-Bund hat verkündet, dass es im Kinderfussball künftig nicht mehr primär um Ergebnisse und Tabellen gehen soll, sondern vielmehr der Spass am Spiel im Vordergrund steht. Wie es wohl die sportlichen Kids finden, wenn ihnen ihre Chancen auf Siegespodeste und Bestenlisten verweigert werden?

Verlassen wir mal den Sport. Woher kommt die Abneigung gegen Druck und Wettbewerb? Meine These ist prädestiniert, mich auf direktem Weg in Teufels Küche zu bringen, aber ich wage sie dennoch: Manche jungen Menschen denken zu viel nach. Vor allem über sich selbst. Darum beziehen sie immer alles auf sich; was heisst das für mich, wie fühle ich mich dabei? Dies ist für mich schwierig, hier bin ich speziell, dort muss auf mich Rücksicht genommen werden. Drohkulissen türmen sich auf: Zwang, Leistung, Shaming et cetera. Man lebt in einem permanenten Drama mit sich selbst.

Manche jungen Menschen denken zu viel nach. Vor allem über sich selbst.

So manche nehmen sich unglaublich ernst, und die sozialen Medien haben das Phänomen verstärkt. Aber: Vor lauter Nachdenken kommt das Tun häufig zu kurz. Oft ist es besser, auch wichtig, eine Herausforderung anzunehmen, auch wenn sie beängstigend scheint, man vielleicht scheitert. Scheitern gehört dazu. Menschen brauchen Herausforderungen und Ziele; riskieren, auf die Nase fallen, wieder aufstehen. An Misserfolgen wächst man. Genau umgekehrt sähen es viele junge Menschen heute, erklärt der amerikanische Psychologe Jonathan Haidt: «Was dich nicht umbringt, macht dich schwächer», so ihr Glaubenssatz. Sie würden sich selbst als sehr fragil ansehen. Sie abzuschirmen von negativen Gefühlen, mache es aber nicht besser, es führe fast immer zu Misserfolgen im Leben.

Das scheint mir logisch. Wer nie gelernt hat, mit schlechten Gefühlen oder Misserfolgen umzugehen, dem muss Scheitern zwangsläufig eine Riesenangst einjagen. Die Frage ist, ob er dann je die Energie und das Durchsetzungsvermögen in sich findet, um auch mal zu gewinnen.

Der überbordende Medien- und Social-Media-Konsum ist schätzungsweise ein weiterer Treiber ihrer Fragilität. Vor allem als junger Mensch entwickelt man dadurch einen verzerrten Blick auf die Realität. Dort wird eine Projektion der Welt gezeigt, wie Journalisten sie sehen, die meisten Menschen nehmen sie aber gar nicht als so problematisch wahr. Für sie ist es oft irrelevant, was diese auf der maslowschen Bedürfnispyramide recht hoch angesiedelten Zeitgenossen als Probleme ausmachen; Probleme, die meist nur ihnen selbst wichtig sind.

Wer um fünf Uhr morgens das Haus verlassen muss, um in der Kälte oder unterbezahlt an einer Kasse zu arbeiten, interessiert sich nicht übermässig dafür, ob jetzt in Verwaltungsräten mehr Frauen sitzen oder warum ein jahrzehntealter Witz von Otto heute diskriminierend sein soll. Den Luxus, sich über die angemessene Sprache eines Komikers erregen zu können, haben viele nicht. Junge Leute sind naturgemäss beeinflussbar. Indem Jugendkanäle permanent das Bild einer schlimmstmöglichen Gesellschaft malen, bestätigt man sie in ihren Sorgen und Unsicherheiten.

Bleiben die Eltern. Viele geben sich die grösste Mühe, alles Belastende, Anstrengende oder Nervige von ihrem Nachwuchs fernzuhalten, ich bin mir absolut sicher, einige würden ihn am liebsten mit dem Wagen direkt ins Klassenzimmer chauffieren. Nur, es gibt immer etwas, was als Nächstes belastend, anstrengend oder nervig ist. Die Komfortzone wird immer kleiner, getriggert wird man immer schneller. Am Ende wird ein einziges Wort oder ein Blick zur Belastung, und man droht von den eigenen Ängsten erdrückt zu werden.

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