Im Verteidigungsdepartement (VBS) herrscht Orientierungslosigkeit. Fehlendes Geld für Rüstungskäufe, Nato-Annäherung: Der Druck auf Wehrministerin Viola Amherd nimmt gewaltig zu. Die Neutralität ist durch den Ukraine-Krieg stark unter Beschuss geraten. Nun wird sie auch im Israel-Palästina-Konflikt auf die Probe gestellt. Das zeigt sich an der engen Zusammenarbeit des VBS und des bundeseigenen Rüstungskonzerns Ruag mit dem israelischen Rüstungskonzern Elbit Systems aus Haifa.

 

Geschwärzter Finanzbericht

Die Israeli haben 2019 mit Elbit Systems Switzerland einen Ableger in Bern gegründet. Seither hat sich die Kooperation mit Schweizer Armeestellen intensiviert. Das ist brisant: Elbit ist aufs engste mit dem israelischen Staat verbandelt, der sich mitten in einem Krieg befindet. 2018 übernahm Elbit den einst staatlichen Waffenbauer Israel Military Industries Ltd. Letzterer war bekannt für Streumunitionssysteme, die international geächtet sind. Für Elbit sind zahlreiche ehemalige israelische Militärs tätig. Der Konzern liefert Waffen für den Krieg gegen die Hamas in Gaza, darunter Drohnen und Artilleriegranaten.

In der Schweiz steht der Rüstungskonzern als Lieferant von sechs Aufklärungsdrohnen des Typs Hermes 900 im Fokus. Bei diesem Auftrag kommt es zu Verzögerungen. Erst zwei Drohnen sind bisher geliefert worden. Beteiligt ist Elbit auch am 1,6 Milliarden Franken schweren Projekt Telekommunikation der Armee (TK A). Bis 2035 sollen damit die Kommunikationssysteme des VBS in mehreren Beschaffungsschritten modernisiert werden.

Hierfür sind Kredite im Umfang von 786 Millionen Franken genehmigt worden. Das Projekt wird für die Armee, die gegenwärtig mit gröberen Geldproblemen zu kämpfen hat, allerdings «deutlich teurer», wie die Eidgenössische Finanzkontrolle (EFK) jüngst festgestellt hat. Für Stirnrunzeln sorgt auch die Intransparenz: Zahlreiche Stellen des EFK-Berichts liess das VBS schwärzen.

Elbit liefert im Rahmen des TK-A-Projekts neue Funkgeräte und integriert sie in sämtliche IT-Systeme. Zudem stattet das Unternehmen die Armee mit Bordverständigungsanlagen und Sprechgarnituren aus. Abgeschlossen sein soll das Ganze bis 2030, rund 300 Millionen Franken sind veranschlagt.

Der israelische Rüstungskonzern, der auch für das Integrierte Artillerie-Feuerführungs- und Feuerleitsystem (Intaff) die zentrale Software geliefert hat, hatte sich erhofft, für das Integrierte Militärische Fernmeldesystem (IMFS) die entsprechenden Komponenten liefern zu dürfen. Dieser Auftrag ging jedoch an die Ruag.

«Der Techtransfer läuft in beide Richtungen», sagt Elbit-Schweiz-Präsident Baumann.Mit dem Schweizer Rüstungskonzern verbindet Elbit eine mehrjährige Partnerschaft. Schon 2018 hatte man in einem Memorandum of Understanding bekräftigt, künftig eng zusammenzuspannen. Im Juni 2022 eröffnete der israelische Konzern in Uetendorf das Testzentrum Network and Digitization Center (NDC). Elbit will im Bereich der sicherheitsrelevanten Hightech- und Informationstechnologien ein führender Partner des Schweizer Militärs werden.

Profitieren von der Zusammenarbeit soll dabei nicht bloss die Schweiz, sondern auch Israel. «Der Techtransfer läuft in beide Richtungen», sagte Jakob Baumann, Verwaltungsratspräsident von Elbit Switzerland, in der Wochenzeitung. Eine Aussage, die die Schweizer Regierung dementiert hat. «Es findet kein Technologietransfer von Ruag zu Elbit statt», schrieb der Bundesrat kürzlich auf eine Anfrage von SP-Nationalrat Fabian Molina.

 

Ist das neutralitätskonform?

Der Widerspruch lässt aufhorchen. Baumann dürfte wissen, wovon er spricht. Der Schweizer Vertreter des israelischen Konzerns ist eng verflochten mit der Schweizer Armee. So wirkte er bis 2011 als Chef von Armasuisse, war also zuständig für die Beschaffung von neuem Armeematerial. Nach seinem Ausscheiden aus dem Staatsdienst wechselte er in den Verwaltungsrat des ebenfalls israelischen Rüstungsunternehmens Bagira. Die Firma liefert Simulator-Technologie für die sechs bestellten Hermes-Drohnen – ein Auftrag, den Baumanns ehemalige Behörde abgewickelt hatte. Heute ist er praktischerweise für die Firma tätig, welche die Drohnen an die Schweiz liefert: Elbit.

Baumann will diese Verbandelungen nicht persönlich kommentieren. Über Olivier Reber vom PR-Büro Farner, das die Kommunikation von Elbit verantwortet, lässt er ausrichten: «Es ist erlaubt, dass ein ehemaliger Rüstungschef Verwaltungsratspräsident von einem wichtigen Lieferanten der Schweizer Armee wird, und es gibt keine Gründe, weshalb das nicht legitim sein sollte.»

Aus rein rechtlicher Perspektive mag das stimmen. Politisch stellen sich durchaus Fragen: Wie ist diese enge Zusammenarbeit der neutralen Schweiz mit einem staatsnahen Rüstungskonzern aus einem kriegführenden Land zu beurteilen? Wäre selbiges auch mit einem russischen Rüstungsbetrieb möglich? Das VBS sieht die Neutralität nicht tangiert. Amherds Departement verweist auf die Antwort des Bundesrats, wonach kein Technologietransfer stattfinde.

Im Parlament sehen das linke wie rechte Politiker kritisch. SVP-Ständerat Werner Salzmann ist zwar der Meinung, dass die Zusammenarbeit in neutralitätsrechtlicher Hinsicht kein Problem darstelle, weil die Schweiz Palästina nicht als Staat anerkenne. Gleichzeitig äussert er Bedenken hinsichtlich des Technologietransfers. Dieser könnte gegen das Kriegsmaterialgesetz (KMG) verstossen. «Um die Frage nach der KMG-Tauglichkeit zu beantworten, müsste man wissen, welche Technologie Elbit in Israel genau zur Verfügung stellt.» SVP-Nationalrat Mauro Tuena hingegen sagt: «Das Kriegsmaterialgesetz verbietet den Transfer von Know-how nicht.» Die enge Kooperation mit Elbit Systems erachtet er als unproblematisch: «Gegen Israel sind keine Sanktionen erhoben worden.»

Kritischer betrachtet der Schwyzer SVP-Ständerat Pirmin Schwander die Vorgänge: «Elbits Produkte waren nicht immer einwandfrei. Das sieht man schon bei den Drohnen.» Schwander warnt vor Spionage: «Niemand hat den Überblick über die IT-Systeme des VBS – gerade auch bezüglich der hohen Sicherheitsanforderungen. Die Hoheit über die gesamten Systeme muss umfassend und lückenlos in der Schweiz beziehungsweise beim Bund liegen. Doch das ist nicht garantiert», gibt Schwander zu bedenken.

Fest steht: Elbit ist im Bereich der Spionage geübt. 2017 wurde öffentlich, wie die Firma Cyberbit – damals eine Tochter von Elbit Systems – äthiopische Dissidenten in den USA, in Grossbritannien und anderswo ausspioniert hatte. Der Genfer SP-Ständerat Carlo Sommaruga warnt: «Die Firma könnte sich Zugriff auf sensible Daten der Schweizer Armee verschaffen. Es ist unklar, welche Daten über die Schweizer Armee dem Hersteller, also Elbit Systems, vorliegen.»

Linke Politiker führen vereinzelt auch neutralitätspolitische Argumente ins Feld. Etwa SP-Nationalrat Fabian Molina, der den Bundesrat mehrfach bezüglich Elbit mit Fragen konfrontierte. Er betrachtet die Kooperation zwischen dem israelischen Rüstungskonzern und dem VBS für «grundsätzlich unzulässig», weil sich Israel im Krieg befindet. Eine Ansicht, die auf den ersten Blick überraschen mag. Denn Molina, kein ausgewiesener Freund der Schweizer Armee, nimmt es mit der Neutralität sonst nicht so genau.

 

Dunkle Wolken über Amherd

Wohl am schärfsten ins Gericht hinsichtlich der Rüstungskooperation mit Elbit Systems geht der Altlinke Jean Ziegler: «Die Schweiz macht sich zum Komplizen bei dem fürchterlichen Völkermord, welche die Israeli im Gazastreifen begehen», sagt der ehemalige SP-Nationalrat, der heute Mitglied des Beratenden Ausschusses des Uno-Menschenrechtsrats ist.

Je länger der Krieg in Gaza dauert, umso lauter dürfte die Kritik aus dem Parlament an den Geschäften des VBS mit Elbit werden. Ein Unglück kommt selten allein: Viola Amherds Bundespräsidialjahr ist nach nur einem Monat von dunklen Wolken überschattet.