María Dueñas: Beethoven and Beyond. Deutsche Grammophon

Schon wieder das Beethoven-Violinkonzert! Denkt man zunächst, und es geht auch breit und stoisch los. Doch nicht nur Manfred Honeck ist einer, der den wohlbekannten, oft gehörten Wiener-Klassik-Sound aus sich heraus mit neuem Leben zu erfüllen vermag, goldig klingend zudem von den Wiener Symphonikern ausgekostet. Die Mischung aus frischem Enthusiasmus und gelebter Tradition prägt auch die keineswegs umstürzlerische, aber satte, vitale, duftig atmende Interpretation durch María Dueñas auf ihrem CD-Debüt bei der Deutschen Grammophon.

Da hört man Respekt, aber auch Mutwillen, Formsinn und Freiheit. Da möchte eine junge Musikerin nicht alles anders machen, aber sich kreativ am scheinbar Vertrauten reiben. Das gelingt ihr mit kleinen Akzenten genauso wie in den feinfühlig das Material abklopfenden Kadenzen der drei Sätze, die sie selbst komponiert hat. Und auch die Beistücke sind gelungen.

Ganz grosse Saitenbegabung

«Beethoven and Beyond» heisst die Doppel-CD, die Kadenzen von Louis Spohr, Eugène Ysaÿe, Camille Saint-Saëns, Henryk Wieniawski und Fritz Kreisler sowie kleinere Geige-Orchester-Stücke von diesen mit einbezieht. «Ich habe als junge Musikerin die Verantwortung, nach neuem Repertoire zu suchen und es für das Publikum zu entdecken», sagt María Dueñas. «Diese Kadenzen, von denen es noch viele mehr gibt, sind so ein Beethoven-Seitenstrang. Ich habe die fünf danach ausgewählt, ob es von diesen Komponisten zusätzlich ein Geige-Orchester-Stück gibt, wenn möglich nicht so bekannt, das man neben die isolierte Kadenz stellen kann und das – als Vervollständigung des Albums – etwas über deren Klangwelt erzählen kann. Das hat es bisher nicht gegeben.»

Reif erscheint die junge Spanierin aus Granada, dabei ist sie erst zwanzig Jahre alt. Mit ihrer Familie lebt sie in Wien, wo sie auch studiert und neben einer nun schon einige Jahre währenden Karriere brav für ihren Bachelor büffelt: «Das balanciert mich aus, gerade die Theoriestunden an der Uni. Ich habe zwei Leben: hier die junge Studentin, da die reisende Künstlerin.»

Man kann schon jetzt sagen: Da steht eine ganz grosse Saitenbegabung am Beginn ihrer Karriere. Nach der bald sechzigjährigen Anne-Sophie Mutter und den Geigen-Girlies der Jahrtausendwende – Hillary Hahn, Isabelle Faust, Julia Fischer, Vilde Frang oder Arabella Steinbacher, die inzwischen reife Frauen sind. Und es soll vorwärtsgehen für Dueñas: «Die Pandemie war nicht schön, aber ich bin ein Mensch, der das Positive sucht. Ich habe gestreamt, auch viel Repertoire gelernt.» Sie hat zudem zum Abitur parallel am Menuhin-Wettbewerb teilgenommen und gewonnen. Das ging terminlich nur, weil er diesmal online veranstaltet wurde.

Über den heute als Putin-Verehrer geschassten einstigen Stargeiger Vladimir Spivakov wurde Dueñas nach Wien empfohlen – ausgerechnet zum Ukrainer Boris Kuschnir, der als einer der besten Lehrer der Welt gilt. Über Politik mag die junge Künstlerin nicht reden, sie bewegt sich lieber auf sicherem Geigen-Terrain.

«Mit Professor Kuschnir habe ich ein wunderbares Verhältnis», erzählt sie, «und in Wien sauge ich die musikalische Tradition der Stadt ein. Das hat mir gerade mental für meine Beethoven-Einspielung sehr geholfen. Im Musikverein zu spielen, das war ein Traum, seit ich das Neujahrskonzert als kleines Mädchen im Fernsehen verfolgt habe.»

María Dueñas ist privilegiert, weil sie auf gleich zwei teuren, natürlich geliehenen Geigen spielen darf – auf einer Nicolò-Gagliano-Violine von 1704 und auf der Stradivarius «Camposelice» aus dem Jahr 1710: «Die Strad habe ich schon zehn Jahre, das ist toll, sie ist hell und brillant, sehr fordernd, sie hat mich zu der gemacht, die ich bin. Auf ihr habe ich auch das Beethoven-Konzert eingespielt. Die Gagliano ist weicher, dunkler, die liebe ich für leise Stücke und für Kammermusik.»

Die Beethoven-CD ist für María Dueñas eine erste Bilanz: «Ich denke aber bereits über zeitgenössisches Repertoire nach. Ich will vielfältig sein. So bleibt mein Musizieren lebendig.»