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Ben Vautier ist tot, seine Sprüche leben weiter. Galerien, Museen, Kunstkritiker zitieren sie in den Nachrufen: «L’art est inutile», «Tout est art», «Comment savoir si c’est de l’art ou pas» und so weiter. Ben hat sich am 5. Juni frühmorgens erschossen, wenige Stunden nachdem seine Frau Annie an einem Schlaganfall überraschend gestorben ist. «Er wollte und konnte nicht mehr ohne sie leben», erklärte seine Tochter, die Galeristin Eva Cunégonde. Wer Annie gekannt hat, versteht den Mann.

Der 88-jährige Künstler war weder krank noch senil, er arbeitete jeden Tag. Berühmt wurde er durch seine Spruchbilder. Mit weisser Handschrift auf schwarzem Grund pinselte er Sätze, die zum Schmunzeln anregten. Oder einen Skandal auslösten wie an der Weltausstellung in Sevilla 1992, wo er im Schweizer Pavillon «La Suisse n’existe pas» schrieb. Die Schweiz fragte sich ernsthaft, ob sie sich beleidigt fühlen sollte. Der liebenswürdige Wortspieler nahm alles aufs Korn, humorvoll. Gott, die Kunstszene, Schnecken, Abfallkübel, das Internet oder Schweizer Eigenheiten: Das Bild «Pünktlich» ist berühmt.

Befreundet mit Yves Klein und Arman, war er in den sechziger Jahren das Epizentrum der Künstlergruppe Fluxus, seine Sätze schmückten Schulhefte, Etuis, Socken, T-Shirts. 1961 schuf er eine Plastikschachtel mit der Aufschrift: «Fluxbox containing God, certified by Ben Vautier». Er sah sich als Post-Dadaisten, ging weiter als Duchamp, der Pissoirs zu Kunstwerken ernannte, und sagte: «Kunst ist überall», signierte alles, was man ihm hinhielt, selbst seine Tochter. Bens Newsletter enthielten Kommentare zur Kunstwelt, der letzte erschien einen Tag vor seinem Tod. Sein Haus oberhalb von Nizza gleicht der Höhle von Ali Baba, vollgestopft mit Werken, Skulpturen und Fundstücken.

Ben kam am 18. Juli 1935 in Neapel als Sohn einer irischen Mutter und eines Sprosses der Waadtländer Kunstmalerdynastie Vautier zur Welt, sein Urgrossvater Marc Louis Benjamin Vautier war ein Zeitgenosse von Albert Anker und malte wie dieser. Als junger Mann unterhielt Ben in Nizza eine Galerie, dann einen Plattenladen und schliesslich eine Art künstlerisches Kafarnaum namens «Ben zweifelt an allem». Das Pariser Museum Centre Pompidou widmete ihm 1977 eine Gruppenausstellung mit seinen Freunden aus Nizza. Zuvor hatte ihn Kurator Harald Szeemann an die Documenta in Kassel (1972) eingeladen. 2010 gab’s in Lyon eine Retrospektive.

In der Schweiz hat ihn einzig das Tinguely-Museum Basel gezeigt. In Lausanne konnten sich die Museen nie entscheiden, Ben auszustellen, obschon er immer eine enge Beziehung zur Waadt unterhielt. Der Lausanner Verleger Pierre-Marcel Favre hat mit ihm sechs Bücher produziert, eine ausführliche Biografie soll demnächst bei Favre erscheinen.