Deutschland ist ganz bei sich. Seit Tagen wird diskutiert, ob Hans-Georg Maassen ein Antisemit sei.

Der Vorwurf stammt von Klimaaktivistin Luisa Neubauer. Sie hatte im Fernsehen behauptet, Maassen teile «antisemitische Inhalte» in den sozialen Medien.

Die Rechtsextremismusforscher in Politik und Medien waren wie elektrisiert. Sofort schwärmten sie aus, um Belege zu sammeln. Wer das Treiben beobachtete, konnte erahnen, weshalb es das deutsche Wort Schadenfreude im Englischen zum Lehnwort gebracht hat.

Viele Angehörige der polit-medialen Kaste wollen Maassen fallen sehen. Er ist seit den fiebrigen Chemnitzer Tagen von Herbst 2018 eine deutsche Reizfigur.

Damals drehte sich alles um die Frage, ob es in der ostdeutschen Stadt zu «Hetzjagden» auf Ausländer gekommen sei. Maassen war seinerzeit Präsident des Bundesamts für Verfassungsschutz und verneinte die Frage. Weil Kanzlerin Angela Merkel zu einer anderen Antwort kam, wurde Maassen zwangspensioniert.

Nun kandidiert er im ostdeutschen Thüringen als CDU-Kandidat für den Bundestag. Seine Wahlchancen sind intakt, seine Gegner entsprechend gereizt.

Da kamen Neubauers Vorwürfe gerade recht. Würde Maassen nun endlich die gerechte Strafe für seine «rechtsoffene» Haltung bekommen? Bald wich die Vorfreude der Ernüchterung: Es liessen sich einfach keine harten Belege für Maassens angeblichen Antisemitismus finden.

Auch Neubauer betonte auf einmal, Maassen sei «kein Antisemit». Er gebrauche aber «problematische Begriffe» wie «Globalist». Das sei ein Codewort von Rechtsextremen für Juden. Zudem verlinke er Artikel von einschlägigen Websites.

Neubauer unterstellte Maassen also, antisemitisches Gedankengut zu verbreiten, ohne Antisemit zu sein. Mögen ihre Pläne für die Klimarettung durchdachter sein.

Allein die Vorstellung, das Wort «Globalist» sei für Juden reserviert, ist schräg genug. Um ein Beispiel aus der Schweiz zu nennen: Der Zuger Milliardär Alfred Gantner bezeichnet sich laut linker Wochenzeitung als «Globalist». Dabei ist er bekennender Mormone.

Dieser Indizienprozess auf Basis linguistischer Studien ging auch CDU-Chef Armin Laschet zu weit. Obwohl Maassen von der Parteispitze mehr geduldet als geschätzt wird, verteidigte Laschet seinen Kollegen.

Allerdings tat er das ziemlich gewunden: «Ich habe ihn bisher nicht als Antisemiten wahrgenommen», sagte er über Maassen. Warum «bisher»? Das Beispiel zeigt: Etwas bleibt bei Verleumdungen immer hängen. Und sei es nur der Gedanke, eine Person könne die Tat, derer sie zu Unrecht beschuldigt wurde, doch noch begehen.

Damit dürfte Luisa Neubauer ihr Ziel erreicht haben: Sie hat den konservativen Maassen im Wahlkampf zumindest ein klein bisschen diskreditieren können.

Maassen zählt zu den wenigen Politikern der CDU, die sich offen gegen Kanzlerin Merkel und deren grüne Politik stellen. Das macht ihn für Klimabewegte wie Neubauer zum natürlichen Gegner.

Deren Anhänger sind verzückt. Eine vielgeteilte Botschaft auf Twitter lautet, man müsse Neubauer dankbar sein. Maassen sei nun von «zig Medien unter die Lupe genommen worden – mit erschreckenden Erkenntnissen».

Auch Neubauer verbreitete diese Nachricht. Die «erschreckenden Erkenntnisse» blieb sie schuldig.

Unterdessen brach 3000 Kilometer entfernt der Nahost-Konflikt auf. Hamas-Terroristen bombardierten Israel, was Israel mit Angriffen auf Hamas-Stellungen vergalt.

Deutschland erlebte eine Explosion des Judenhasses in seinen Innenstädten. Vor allem arabischstämmige Palästina-Aktivisten skandierten Parolen, als seien sie die braven Urenkel deutscher Nazis.

Die Gleichzeitigkeit hat etwas Eskapistisches: Im Salon beschäftigte man sich mit der Auslegung des Wortes «Globalist», während unten auf der Strasse Tausende Judenfeinde grölend ihren Hass auf Israel zur Schau stellten.

Luisa Neubauer fiel dazu kaum etwas ein. Sie war vor allem damit beschäftigt, Fotos von ihrer Video-Sitzung mit Angela Merkel zu verbreiten. Beim Gespräch ging es um «Klima- und Generationengerechtigkeit».

Einzig per Retweet warnte Neubauer davor, «Jugendliche mit Migrationshintergrund» unter den «Generalverdacht des Antisemitismus» zu stellen.

Sie wünschte sich also etwa das, was sie Hans-Georg Maassen verweigert hatte.