Auf den Deichen an deutschen Küsten stehen Schafe und fressen Gras. Tagaus, tagein kürzen sie zuverlässig das Grün, sorgen dafür, dass der Deich stabil und das Wasser im Meer bleibt. Sie traben von der Deichkuppe hinunter ans Wasser und wieder hinauf. Das können sie gut. Das ist aber auch alles, was sie können. Blechköppe nennen die Bauern an der Nordseeküste ihre Schafe, diese dumpfen Fressmaschinen.
Wie stolz wären die Bauern auf ihre Schafe, hätten sie einmal RL 800 auf die Wiese gestellt, den «mulchenden Mähroboter». Denn in diesem letzten Schrei der Robotik für Heim und Garten in Form eines schubkarrengrossen Pantoffeltierchens aus gelbem Plastik steckt weniger Intelligenz als in einem Schafschädel. Zwar mäht RL 800 ganz automatisch den Rasen und kann auch Maulwurfshügel umfahren. Aber er würde sich umgehend selbst versenken, wenn das Wasser bei Flut die vorher vergrabene Drahtbarriere überdeckt, die ihm die Grenzen weist. Ein Schaf weiss, was Wasser ist. RL 800 weiss das nicht - noch nicht.
In spätestens fünfzig Jahren, glaubt der amerikanische Zukunftsforscher Ray Kurzweil, wird es keinen Unterschied mehr geben zwischen der Intelligenz von Maschinen und der von Menschen, und Menschen sind bekanntlich schlauer als Schafe. Eine optimistische Prognose ist das, schaut man sich an, was die Roboterbauer in den vergangenen fünfzig Jahren geschafft haben. Es sind fortwährende Versuche, das Leben zu imitieren, und Leben heisst bei Maschinenwesen zunächst einmal Bewegung.
Die ersten mobilen Roboter, das war 1950, sahen aus wie ausgeschlachtete Radios unter einer transparenten Käseglocke. Sie konnten eine Lichtquelle finden, hinfahren und sich selbst wieder aufladen: Elsie & Elmer, die Schildkröten. Leben nachahmen hiess von Anfang an auch Namen vergeben.
1973 schraubten japanische Wissenschaftler der Waseda-Universität in Tokio ihren Wabot-1 zusammen, den ersten humanoiden Roboter, ein Ding aus Draht und Blech, das alle 45 Sekunden einen Schritt schaffte und mit etwas Glück sogar Treppen steigen konnte. Das Nachfolgemodell konnte 1985 schon Orgel spielen. Der japanische Honda-Konzern hat derzeit Asimo im Programm, eine 1,20 Meter grosse Puppe im Astronautendress, die sogar Kurven laufen kann, ohne auf ihre Sonnenbrille zu fallen, und laut Angaben des Herstellers «fliessend» Japanisch und Englisch spricht. Am Valentinstag letzte Woche hat Asimo per Knopfdruck als erster Nichtmensch den Handel an der New Yorker Börse eingeläutet.
Sie wissen nicht, was sie tun
Die Geschichte der intelligenten Roboter ist auch eine Geschichte der Täuschung. Niemand würde einen Taschenrechner für intelligent, für lebendig halten. Und doch unterscheidet er sich nicht vom Roboter. Beide nehmen Signale auf und verarbeiten sie nach festen Programmen, die der Mensch ihnen zuvor eingegeben hat. Beide wissen nicht, was sie tun. Doch der Humanoide sieht uns ähnlich, deshalb trauen wir ihm mehr zu.
Das Kindchenschema schlägt dabei voll zu. Der kniehohe Plastik-PaPeRo aus dem Jahr 2001 etwa sieht aus wie eine leicht gestauchte Eule mit Babyface, die Augen glupschen süss, die Gesichtsplastik deutet ein Lächeln an. Er kann 650 Wörter erkennen und auch ein paar brabbeln, allerdings nur auf Japanisch. Er kann mit dem Hintern wackeln, und wenn man ihm ein Tablett auf den Kopf schraubt, auch ein Glas Wasser transportieren. Aus PaPeRo soll einmal ein Pflegeroboter werden, der alten Japanern die Tabletten bringt und ihnen zuhört, wenn sie keine Angehörigen mehr
haben.
Auch der legendäre Kismet-Kinderkopf am Massachusetts Institute of Technology (MIT) macht auf niedlich. Aus ernsthaften Menschen werden blitzschnell brabbelnde Säuglingspfleger, wenn er auf Zuruf seine Gummilippen schürzt oder mit den Alu-Augenlidern klappert. Stimmt das Aussehen, lässt sich der Mensch sogar vom Computer herumkommandieren wie von einem Chef aus Fleisch und Blut: Die Entwickler des Museumsführers Rhino haben sich das zunutze gemacht und auf die rollende schwarze Metalltonne ein Gesicht aus Frotteelippen und Filzaugen geklebt. Das Konterfei verzieht sich zu einem Lächeln, wenn Rhino knarzig darauf dringt, den Weg frei zu machen. Das funktioniert - in einem Museum in Bonn ist er bereits im Einsatz.
Angesichts des inneren Elends der Roboter ist die Konzentration auf ihr Äusseres nur allzu verständlich. Wer zu PaPeRo in freundlichem Tonfall «Trottel» sagt, bekommt trotzdem ein «Dankeschön», weil es ja freundlich klang. Es sei denn, PaPeRo hat die Lautfolge des Wortes «Trottel» vorab als elektrisches Signal eingespeist bekommen. «Blödmann» würde er sich dann immer noch gefallen lassen.
Das richtige Leben lässt sich eben derzeit noch nicht in Formeln pressen. Aber Roboter-Optimisten glauben, dass sie das scheinbar Unberechenbare eines Tages in die Blechhirne hineinbekommen. Der Kismet-Betreuer Rodney A. Brooks vom MIT hält Menschen für vollständig biochemische, mechanische Systeme, also für reine Informationsverarbeiter. Für ihn lassen sich deshalb auch Gefühle in Roboter einprogrammieren, wenn man nur die Daten kennt.
Zukunftsforscher Kurzweil macht Intelligenz dort aus, wo Maschinen etwas besser können als Menschen, Informationen also schneller und genauer verarbeiten. Moderne Verpa-ckungsroboter wie der Ulixes etwa sortieren Würstchen schneller als die Angestellten per Hand. Folgt man Brooks und Kurzweil, wären die Roboter dann intelligent, wenn sie alle Informationen ihrer Umwelt aufnehmen und damit losrechnen könnten.
Lernende Roboter sollen sich selbst durch Versuch und Irrtum zu schlauem Verhalten erziehen. Kismet zum Beispiel probiert eine Grimasse nach der anderen aus, um sein Gegenüber immer wieder zu einer Reaktion zu bewegen, und speichert ab, womit er erfolgreich war. Der 55 Zentimeter lange Aluminium-Scorpion soll nach drei Jahren Training auf acht gummibemufften Beinen durch die Mojave-Wüste laufen. Schafft er das, gilt er als intelligent.
Der Arzt bleibt Steuermann
Vieles spricht dafür, dass Bruder Robot noch lange ein nützlicher Idiot und die Menschen unter sich bleiben. Puma 700, der stählerne Arm, baut Autos zusammen, der blaue Teodor auf seinen Gummiketten entschärft Minen, Oktoputz saugt sich an Schiffswänden fest und fährt die Bürste aus. Der supermoderne Operationsroboter Caspar fräst sich mit seinem ellenbogenlangen Bohrer souverän auf den Zehntelmillimeter genau ins Hüftgelenk. Aber dafür braucht er den Arzt als Steuermann. Caspar hat keinen Schimmer und schon gar keinen Willen.
So wie der Dyson Dual Cyclone DC 6, der erste selbständige Staubsauger für den Hausgebrauch. Der saugt auch um Kind und Hund herum. Sollte er zumindest. Der Hersteller scheint sich um den reibungslosen Ablauf zu sorgen und hat einen grossen Aufkleber auf das Gehäuse geklebt mit der Nummer der Helpline. Das Gerät soll noch dieses Jahr in den Handel kommen. Mal sehen, wo es sich festsaugt.
Das Museum für Angewandte Kunst in Köln zeigt bis 14. April die Ausstellung «Ex Machina - Eine Geschichte des Roboters von 1950 bis heute». Die meisten der hier aufgeführten Roboter sind dort zu sehen (www.museenkoeln.de)