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Für viele Philosophen ist die Welt rätselhaft, schwer zu entschlüsseln und geheimnisvoll. Deshalb entwickeln sie komplizierte Theorien, hoch spekulativ und mitunter kaum verständlich. Anders Daniel Dennett. Für den amerikanischen Star-Philosophen war nichts geheimnisvoll, nicht die Welt, nicht der Mensch, nicht das menschliche Bewusstsein. Was wir, je nach Blickwinkel, Geist oder Seele nennen, unsere Gefühle, Gedanken und Empfindungen waren für ihn das Produkt neurologischer Prozesse. Und die kann man sehr gut verstehen.

Man könnte meinen, Dennett habe so Banalitäten formuliert, die in einer aufgeklärten Gesellschaft selbstverständlich sein sollten: Alles geht mit rechten Dingen zu, alles ist naturwissenschaftlich erklärbar, es gibt nichts Übernatürliches. Doch der Aberglaube blüht nach wie vor, auch unter Wissenschaftlern und Philosophen – nur, dass diese ihn vornehmer und gebildeter artikulieren. Viele Philosophen etwa lehnen die Vorstellung ab, dass unser inneres Erleben, unser Bewusstsein das Produkt neuronaler Prozesse ist. Das ist ihnen zu einfach. Sie hätten es gern komplizierter. Auch deshalb, weil ihnen sonst ganze Forschungsfelder abhandenkommen.

Daniel Dennett hingegen war ein grosser Entzauberer. Die grossen Rätsel der Philosophie waren für ihn keine grossen Rätsel, sondern einfach das Produkt von Denkfehlern und mit Hilfe der Naturwissenschaften zu lösen.

Unser Bewusstsein etwa, so Dennett, sei eine Art Benutzeroberfläche des Gehirns für sich selbst. Im Grunde gebe es unsere Empfindungen und Gefühle gar nicht. Es gebe keine Angst, keine Rotempfindung und kein Gefühl von Kälte. Es gebe nur neuronale Reize und Verschaltungen, die das hochkomplexe System Gehirn sich selbst als Empfindungen präsentiere, um sie effektiver verarbeiten zu können. Und auch unser Ich sei eine Illusion. Unser Gehirn sei, wie der Mensch als Ganzes, das Produkt biologischer Evolution.

Doch Dennett war nicht nur ein radikaler Materialist, sondern auch ein überzeugter Atheist. Der Glaube an Götter war für ihn eine im Laufe der kulturellen Evolution zeitweise sinnvolle Illusion. Zugleich war der Philosph jedoch auch ein grosser Humanist, der darauf verwies, wie dankbar wir sein müssen. Nicht gegenüber einem Gott, aber gegenüber den unzähligen Wissenschaftlern, Forschern, Musikern, Künstlern und Literaten, die im Laufe der Menschheitsgeschichte dazu beigetragen hätten, dass unser Leben besser, sicherer, schöner und erfüllter sei. Daraus erwachse die Verantwortung, der Menschheit ebenfalls etwas zu geben.

Dennett ist das ohne Zweifel gelungen. Am vergangenen Freitag ist er, der Denker mit dem markanten Rauschebart, Bestsellerautor und seit 1971 Professor für Philosophie an der Tufts University (Massachusetts), im Alter von 82 Jahren verstorben. Alexander Grau