Schwindende Zuschauerzahlen bei den Oscars, Filme, die es nicht mehr schaffen, die Massen ins Kino zu locken – und vielleicht ist ja das ein Grund: die feministische Auslegung des strong female lead, der starken weiblichen Hauptrolle. Sie ist im progressiven Hollywood so angesagt wie Avocadobrötchen und Yoga.

Tatsache ist, im Comic-Genre waren Frauen als Superheldinnen in der Vergangenheit unterrepräsentiert. Einerseits, weil in den Plots mehrheitlich Superhelden die Welt retten. Andererseits lösen Catwoman oder Wonder Woman bei vielen keine funkensprühende Erregung aus, ganz anders Thor, Superman und Co. Um das zu ändern (und den Geschmack des Publikums zu korrigieren), setzen die Studiobosse seit einer Weile auf Produktionen mit strong female lead. Und bei allem Verständnis für mehr Superheldinnen – sie benützen dafür eine Fixfertigrezeptur, die sie weiblichen Charakteren überstülpen und die jeden eingefleischten Kinofan das Weite suchen lässt: Sie weiss alles, kann alles, ist supertaff, hat keine Mankos, und alle anderen – sprich: Männer – sind dumm.

Sie weiss alles, kann alles, hat keine Mankos, und alle anderen – sprich: Männer – sind dumm.

Fürs Hineinschlüpfen in diese unterkomplexen Rollen bedarf es keiner grossartigen Begabung. Stinklangweilig präsentiert sich das nicht nur für den Zuschauer, man stiehlt damit vor allem den Frauen das Brillieren im Film. Schauspielerin Emily Blunt fasst das Elend so zusammen: «Es ist das Schlimmste überhaupt, wenn du ein Drehbuch öffnest und die Worte ‹strong female character› liest», erklärte sie bei Indie Wire. «Da rolle ich mit den Augen. Da bin ich schon raus. Es langweilt mich.» Man müsse permanent taff spielen und taffe Dinge sagen. Tja. Wenn es Filmemachern nicht um die bestmögliche Geschichte geht, sondern um female empowerment oder darum, Fehler aus der Vergangenheit wiedergutzumachen, scheint das Rezept für talentierte Schauspielerinnen nicht aufzugehen.

Es gibt etliche Beispiele. Um sich einer Kampftruppe anzuschliessen, gibt sich das Mädchen in der Live-Action-Verfilmung «Mulan» (2020) als Junge aus, sie ist kleiner und schwächer als die trainierten Krieger, besitzt keinerlei Erfahrung, trotzdem kämpft sie besser und ist imstande, alle zu besiegen – wegen irgendeines vererbten Gens. Im Disney-Original «Mulan» (1998) musste Mulan noch, um an die Männer anzuknüpfen, hart an sich arbeiten und kreative Ideen entwickeln.

In der Serie «She-Hulk» (2022) verwandelt sich Hulks Cousine in eine Superheldin, am ersten Tag schon übertrifft sie Hulk in allen Disziplinen, ist besser als er in all den vergangenen Jahren zusammen. Der Charakter des Original-Hulk ist vielschichtig, Zerstörungswut schlummert gleich neben Sensibilität und gerät zuweilen ausser Kontrolle. Solche Feinheiten fehlen She-Hulk, und selbstverständlich kann sie ihre Wut kontrollieren: «Ich tue es ständig [. . .]. Wenn mir inkompetente Männer mein eigenes Fachgebiet erklären.» Auch diese Botschaft fehlt nicht. Die hundert Millionen teure Produktion «Batgirl» (2022) war offenbar so unverträglich, dass sie trotz fertiggestelltem Dreh eingestellt wurde. In den Testvorführungen fiel sie radikal durch.

Die klassische Entwicklungsstory vieler männlicher Original-Hauptrollen – als Junge gemobbt, Selbstoptimierung bis zum Äussersten, Durchsetzungsfähigkeit mittels harter Arbeit – fällt bei den modernen Superheldinnen weg; sie werden schon als perfekte Wesen geboren, ohne die geringste Einschränkung. Diese Rollenzeichnung vermittelt den Eindruck, als seien Frauen nicht fähig, mit Herausforderungen umzugehen, als müssten sie vor Versagen oder Fehlern geschützt werden. Dafür, dass diese Umsetzung das Resultat feministischer Filmdebatten ist, dünkt mich das ziemlich antifeministisch. Die Frauen, die ich kenne, sind in der Lage, schwierige Situationen zu meistern.

Der Trend, Frauen stets als taff und Männer als planlose Trottel darzustellen, lässt sich auch beim Streaming beobachten. Im Netflix-Thriller «Viking Wolf» jagen zwei Polizisten einen Werwolf. Der Herr Kollege macht sich bei jedem Schritt ins Hemd, in einer Szene wagt er sich nicht in die Höhle, während sie supertapfer ins dunkle Loch stapft – und sowieso immer den Durchblick hat. Die neuen Heldinnen sind so perfekt, man kommt sich vor wie ein verschupftes Hascherl daneben.

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