Es ist hochinteressant, was wir jetzt in Echtzeit erleben. Der amerikanische Präsident Donald Trump schockt die Weltmärkte mit seiner Handelspolitik. Die Börsen kommen ins Rutschen. Selbst treue Gefolgsleute gehen auf Distanz. «Bullshit», rufen einige aus. Sogar der Trump-Fan mit der Kettensäge, Elon Musk, runzelt die Stirn.

Trump, heisst es, habe allein im stillen Kämmerlein entschieden. Jetzt spiele er Golf und schotte sich ab, unempfänglich für Signale aus der Wirklichkeit. Hat er den Verstand verloren wie damals Putin in seinem Corona-Bunker, als er den Überfall auf die Ukraine befahl?

Das ist so ungefähr der Tenor unserer Medien. Stellt man ab auf die Schlagzeilen, steht der Weltwirtschaft die Kernschmelze bevor. Über den Krieg an den Grenzen Russlands redet keiner mehr, obwohl er unvermindert tobt. Dafür scheinen sich alle wieder einmal felsenfest und unerschütterlich einig: Jetzt hat sich Trump aber ganz gewaltig verhauen. Sein Entscheid, die Zollschranken hochzufahren, ist Selbstmord, ein Anschlag auf den Wohlstand nicht nur in den Vereinigten Staaten, sondern auf der ganzen Welt. In der Schweiz tanzen die Brüssel-Befürworter. «EU einfach!», lautet ihre Devise.

Gemach, gemach. Abermals schiessen die Kommentatoren schneller, als sie denken können. Das Senkblei der Meinungseinfalt drückt auf die Qualität der Diskussionen, sofern man sie überhaupt so nennen kann. Bevor wir uns ein Urteil anmassen, fragen wir zuerst: Was eigentlich macht Trump genau? Wo könnte seine Absicht liegen? Welches Problem soll gelöst werden? Und ergreift er die richtigen Massnahmen, um die mutmasslichen Ziele zu erreichen? Lassen wir uns also für einen Moment auf die Argumentation der Amerikaner ein, ehe wir sie bewerten.

Seit letzter Woche ist der rund 400-seitige Bericht abrufbar: «2025 National Trade Estimate Report on Foreign Trade Barriers of the President of the United States on the Trade Agreements Program». Das ist die Grundschrift, die Bibel sozusagen, mit der Trump seine Politik begründet. Von einem Sololauf kann keine Rede sein. An diesem Kompendium haben viele Experten intensiv gearbeitet, und es enthält eine wichtige Erkenntnis, die auch für Nicht-Amerikaner interessant sein muss: Das, was wir als internationalen Freihandel bezeichnen, ist ein zutiefst kaputtes System.

Trump will es neu aufsetzen oder, provokanter formuliert, Trump will den Freihandel befreien, und zwar auch und besonders von den nicht-tarifären Handelsbarrieren, von diesem wilden Gestrüpp an Vorschriften, Regulierungen, Steuern, Abgaben, Subventionen und «industriepolitischen» Vorkehrungen, die den Freihandel überkrusten und ihn zu einer Karikatur seiner selbst machen. Diese «trade barriers» würden die Weltwirtschaft verzerren, stören, hält der Bericht fest, und die Vereinigten Staaten seien entschlossen, die Störungen zu beseitigen.

Das ist vielleicht der erste Anhaltspunkt, der jeder Beurteilung vorauszugehen hat. Trump ruft nicht den Protektionismus aus, den Rückzug auf die Scholle. Er ahmt gerade nicht die überregulierte und abgeschottete EU nach, sondern er baut seine Zölle als Druckmittel auf, um die Mauern einzureissen, die andere errichtet haben. «Trump ist kein Zerstörer, sondern ein Retter des Freihandels», sagt in dieser Ausgabe Vaclav Klaus, der frühere Staatspräsident Tschechiens und langjährige liberale Hochschulökonom. Seine Politik sei vernünftig, eine Reaktion auf die unfairen Praktiken der andern.

US-Präsident Ronald Reagan und die ehemalige britische Premierministerin Margaret Thatcher sind die grossen liberalkonservativen Wirtschaftsreformer des 20. Jahrhunderts. Sie haben die auswuchernden Staaten zurückgefahren, die Steuern gesenkt und Unternehmen wie Bürger in jeder Hinsicht entlastet. Ist Donald Trump aus gleichem Holz geschnitzt? Könnte auch er mit seinem Zoll-Hammer, mit diesem grossen Reset der amerikanischen und der internationalen Handelspolitik in die Geschichte eingehen? Es ist noch früh, aber nicht abwegig, diese Variante in Erwägung zu ziehen.

Trumps Zölle sind in erster Linie ein Verhandlungspfand. Er sagt das ausdrücklich. Es geht ihm darum, die internationalen Handelsregime «fairer» zu gestalten, das heisst: stärker auf amerikanische Bedürfnisse auszurichten. Rund fünfzig Seiten seines Handelsberichts beschäftigen sich mit China, dem Hauptgegner, etwa 35 Seiten mit der Europäischen Union. Alles andere sind Nebenschauplätze. Die Schweiz kommt auf lediglich drei Seiten dran. Es sollte für den Bundesrat ein Leichtes sein, die Hindernisse wegzuräumen. Argumente liefern wir in dieser Ausgabe (Seiten 14, 22, 28, 40, 51, 56)

Natürlich spielt Politik eine grosse Rolle. Trump hat versprochen, sich um die Mittelschicht zu kümmern, die ausgelagerten Arbeitsplätze ins Land zurückzuholen, die industrielle Basis wieder zu stärken und die auf Import und Schuldenmachen gebaute US-Lotterwirtschaft der Handels- und Staatsdefizite zu beenden. Viele bezweifeln, dass ihm die Re-Industrialisierung gelingen wird. Dazu fehlten ihm die gut geschulten Facharbeiter. Doch politisch wird er bei seiner Basis trumpfen. Genüsslich kann er künftig jede neue US-Fabrik als sein politisches Werk verbuchen.

Doch Trump pokert nicht nur mit den Zöllen. Gleichzeitig senkt er die Steuern, fräst die Regulierungen weg und fängt an, mit seinem Partner Musk den aufgeblähten Staat zu verkleinern. Das ist klassisch liberale, freisinnige Politik, die auch in Europa und in der Schweiz längst überfällig wäre: mehr Freiheit und Eigenverantwortung, weniger Staat. Kein Wunder, schreien bei uns die Bürokraten und ihre Verbündeten im Journalismus auf. Sie spüren, sie wissen ganz genau, dass sie in Trump einen entschlossenen, starken und durch nichts kleinzukriegenden Gegner haben.

Ganz falsch sei es, so argumentiert in dieser Ausgabe Marcel Erni, Erfolgsunternehmer mit Schwerpunkt USA und Mitgründer der sagenhaft erfolgreichen «Private Equity»-Gesellschaft Partners Group in Baar, ein Kapitalfehler sei es, wenn die Schweiz sich jetzt in Panik der EU unterwerfe. Gerade jetzt, da die Amerikaner die Karten neu mischen, müsse man die Unabhängigkeit und Weltoffenheit des Landes stärken. Obwohl Erni nicht zu den Fans von Trumps Zollmassnahmen gehört, sieht er in diesem Befreiungsschlag auch und gerade eine Chance für die Schweiz.