Der amerikanische Bürgerkriegsgeneral Philip Sheridan war Gast des preussischen Generalstabs im Deutsch-Französischen Krieg (1870/71) und wunderte sich da über die traditionelle Kriegführung Moltkes: «Sie verstehen es, einen Feind zu schlagen, wie keine andere Armee, aber ihn zu vernichten, das haben Sie noch nicht weg.» Sheridan wusste, wovon er redete. Der amerikanische Bürgerkrieg hatte die Hemmschwelle traditioneller Kriege («Kabinettskriege») überschritten und die gegnerische Zivilbevölkerung ins Kriegsgeschehen einbezogen. Er war der erste «totale Krieg».

Heute bewegt sich die moderne Kriegführung mit ihrer Praxis der «chirurgischen Einschnitte» wieder auf das «Kabinettskrieg»-Prinzip zu. Etwa im Golfkrieg, bei dem es galt, einzig militärische Ziele zu treffen. Zumindest war es die edle Absicht. Auch kommt der «Feldherrenhügel» wieder zu Ehren, dank elektronischem Hightech, die der Führung die Möglichkeit bietet, den Verlauf einer Schlacht mit Kameras zu verfolgen.

Doch trotz derartig perfekter Einrichtungen endete eine militärische Aktion der USA in Mogadischu in einem Debakel – weil die Taktik des Gegners derjenigen der Indianer glich. Im Oktober 1993 sollten Offiziere und Clanführer des somalischen Warlords Mohamed Farrah Aidid in einem raschen Handstreich festgenommen werden.

Mehr als eine Stunde würde die Mission nicht dauern. Am Ende mündete sie in eine verzweifelte Mehrstundenschlacht, in deren Verlauf 18 GIs fielen und 73 verletzt wurden. Auf gegnerischer Seite seien über 500 Somalis gefallen (andere Quellen sprechen von 1000).

Die Früchte des Journalismus

Mark Bowden, amerikanischer Reporter, der mit seiner Biografie über den Drogenbaron Pablo Escobar («Killing Pablo») Furore machte, begann 1996 mit seinen Recherchen über das Somalia-Desaster. In Washington wurde der peinliche Vorfall verdrängt und für den investigativen Journalisten dadurch immer interessanter. Bowden begann akribisch zu recherchieren, vor allem bei den beteiligten Soldaten und Offizieren. 1999 schliesslich erschien sein viel diskutiertes Buch «Black Hawk Down».

Als der Hollywood-Produzent Jerry Bruckheimer, der stahlharte Männer-Fights liebt («Pearl Harbor»), das Buch in die Finger bekam, soll er von «der Brüderschaft unter Männern» sofort elektrisiert gewesen sein. Sein Regisseur Ridley Scott («Gladiator»), ein rabiater Virtuose, suchte eine hyperrealistische Ästhetik, in der die Grenzen zwischen Fiktion und Dokumentation fast verschwinden. Aber darin liegt auch das Problem des visuell beeindruckenden Films, der ausser eines zweistündigen Augenfutter-Infernos wenig zu bieten hat. Scott zeigt sehr wohl das Grauen. Aber hat es noch eine abschreckende Wirkung?

«Black Hawk Down» entstand vor den New Yorker Anschlägen und plädiert unübersehbar für den amerikanischen Isolationismus. Raus aus den Krisengebieten, in denen junge Menschen sinnlos verheizt werden, weg von den «chirurgischen Operationen», deren Folgen unkalkulierbar sind. Nach dem 11. September sah die Welt vielleicht nicht anders aus, aber die Stimmung hatte sich geändert. Im neu erwachten Patriotismus verschob man den Start des Films; als er dann doch in die Kinos kam, wurde er ein kommerzieller Erfolg.

Man muss nicht lange rätseln, woran das liegt: am suggestiven Rausch, der wirbelnden Lust am Entsetzlichen, der Abwesenheit von «Handlung» und politischem Hintergrund. Hier wird gewissermassen ähnlich der erfolgreichen Rhythmusgruppe «Stomp» (die Sperrgut zu Tongut macht) sinnlos-schöne Action abgefackelt. Das ist natürlich Absicht, um die «Brüderschaft unter Männern» (Bruckheimer) in lebensbedrohender Situation zu dokumentieren. Doch ein bisschen Hintergrund, der der Erklärung des Schlamassels dienlich wäre, hätte dem Film gut getan. Indem er darauf verzichtet, hinterlässt er den Eindruck, man wohne einem neuen «Alamo» bei, und Ridley Scott muss sich den Vorwurf gefallen lassen, ähnlich der Politadministration, am «Gedächtnisschwund» eifrig mitgewirkt zu haben – zugunsten brillant-delikater Verzweiflungsballereien.

Das Unglück wird zur Lustpartie

In der Schlacht von Mogadischu flogen über den US-amerikanischen Kampfhubschraubern, den Black Hawks, zusätzliche Beobachtungshelikopter und – noch etwas höher – das Navy-Aufklärungsflugzeug Orion. Es sollte den Einsatz filmen und in die («Feldherren»-) Zentrale von General William F. Garrison übertragen. Doch das doppelte Sicherheitssystem erwies sich als fatal. Zum einen, weil Orion-Befehle mit denen aus den Aufklärungshelikoptern kollidierten, bis die GIs im Strassengewirr der Stadt vollends die Orientierung verloren, und zum anderen (der wohl aufschlussreichste Aspekt), weil sich Garrison am Bildschirm die Situation in ihrer mörderischen Brisanz nur mangelhaft erschloss.

Während seiner Recherchen machte Autor Mark Bowden die verblüffende Feststellung, dass viele Ranger sich «wie in einem Film» vorkamen und «sich daran erinnern mussten, dass dieser Horror, das Blut, die Toten echt, wirklich, real waren». Ridley Scott dreht mit seinem bravourösen Hexenkessel den Spiess um: Angesichts seiner visuellen Reproduktion muss man sich vergewissern, tatsächlich im Kino zu sitzen.

Aber gemach, schon Johann Wolfgang von Goethe schrieb in seiner «Belagerung von Mainz»: «Und so war nach und nach das innere grenzenlose Unglück einer Stadt in der Umgegend Anlass zu einer Lustpartie geworden.» Die Gaffer sassen auf einem Hügel, mit herrlichem Blick auf das Unglück.