Supersex (Italien 2024) von Francesca Manieri. Mit Alessandro Borghi. 7 Folgen auf Netflix

Da stand er im «Venetian»-Hotel in Las Vegas, hielt den AVN Award so fest in den Händen wie die Pornodarstellerinnen sonst nur seinen Penis. Stand da, lächelte, sagte, wie viel ihm dieser Preis bedeute und dass er doch überrascht sei, wie viel man mit dem Ficken erreichen könne. Rocco Siffredi, 59, war auf dem Höhepunkt seiner Karriere als Pornodarsteller. Er erhielt, unter anderem, den Preis für die beste Analsexszene. 39 Jahre alt war er.

Sein Leben: Tausend Pornofilme, 4000 Frauen. Er ist eine Mischung aus Casanova, dem Playboy Porfirio Rubirosa – und einem kleinen Jungen, der ein Leben lang fast jener Liebe hinterherlief, die er von seiner Mutter zu wenig bekam, weil sie all ihre Liebe seinem behinderten Bruder gab. Auch noch, als der schon längst gestorben war. Die Mutter wollte, dass Rocco Priester wird. Vielleicht deshalb führt er sich in seinen Filmen auf wie ein versauter Missionar, dessen Gemächt fast schon göttliche Liebe schenken kann. Siffredi ist der bekannteste Pornostar der Welt geworden, 23 Zentimeter lang soll sein Glied sein. Netflix hat ihm, dem italian stallion, jetzt eine Serie gewidmet: «Supersex» (ab 16 Jahren). Es gibt ein wenig Fleisch und einen Rocco, der seine Seele entblösst.

Es ist die Geschichte eines Mannes, der an die Superkraft des Sexus glaubt und dass sie ihn, einen kleinen, unglücklichen Jungen aus einer Sozialwohnung am Rand einer kleinen Stadt an der Adria, befreien könne von seinem Elend. Viel mehr noch als sein grosser Bruder, der ihm viel mehr Vater ist als der leibliche, der längst resigniert und kapituliert hat und zu Hause sich hin und wieder gross aufspielt.

 

Superkräfte

Rocco findet auf der Strasse ein Pornoheft, «Supersex» heisst es, und der Protagonist scheint Superkräfte zu haben, solche, die ihn regelmässig ins Paradies ejakulieren lassen. Rocco will das auch, sich von allem wegvögeln.

In Paris trifft er den Helden seiner Jugend, den Pornodarsteller von «Supersex», die beiden, Brüder im Geiste, finden gefallen aneinander, Rocco flutscht ins Pornogeschäft, und auch er scheint tatsächlich über Superkräfte zu verfügen. Er wird ein Star, die Branche liegt ihm zu Füssen, die Frauen lecken sie. Er vögelt hart, da und dort schwingt die Peitsche des Sadismus mit, das Gemisch kommt an.

Natürlich ist Rocco, der Letzte seiner Art, auf der Suche nach Liebe, was schwierig ist an einem Porno-Set, und bald merkt er, dass seine Potenz viel kann, nur keine Liebe erzeugen, und spät erst kommt ihm der Gedanke, dass er keine Liebe fand, weil er sich selbst nicht lieben konnte, sondern nur das Bild, das er von sich machte.

Die Serie aus der Feder der Drehbuchautorin und Kunsthistorikerin Francesca Manieri ist trotz all den Längen und dem Drang, wie beim Porno einfach vorzuspulen bis zur nächsten geilen Szene, insofern erfrischend, weil sie im Alte-Schule-Format gemacht worden ist. Männer sind Männer, Frauen Frauen, Männer wollen vögeln, Frauen gevögelt werden. Nichts ist woke, da ist kein Gender-Gaga. Die meisten Frauen lächeln, nachdem sie sich vom italian stallion haben decken lassen.

Nur einmal, als eine Frau Rocco wirklich liebt und er versucht, sie zu lieben, als sie schwanger wurde und Rocco trotzdem in sie reinhämmert, als ob es kein Morgen gäbe, sie das Kind verliert, kommt eine kleine Kritik an Roccos männlichem Sex – und Unterdrückungswahn: «Du hast mich kaputtgefickt.»

Nach 350 Minuten «Supersex» weiss man ein bisschen was über Rocco, der in Italien mittlerweile ein Star ist und nur noch Produzent. Aber noch mehr weiss man über Rocco, wenn man sich einen seiner Filme anschaut.