René Kuhn hat seine Aufmerksamkeitsnische gefunden. Er ist jetzt Anwalt der Männer. Der Informatiker mit dem markanten Kahlkopf und der missglückten SVP-Karriere hat die Interessengemeinschaft Antifeminismus (IGAF) ins Leben gerufen. Die Organisation, so heisst es in ihren Grundsätzen, kämpft für die Gleichberechtigung und darum gegen den Feminismus. Denn dieser sei eine Ideologie, «welche nur mehr Rechte für Frauen will auf Kosten der Männer».

Allein die Ankündigung, das erste interna- tionale Antifeminismus-Treffen durchführen zu wollen, sorgte für militante Aktionen. Das Gemeindehaus in Uitikon, dem ursprünglichen Tagungsort, wurde verschmiert, man kündigte weiteren Radau an, worauf sich der erste Vermieter zurückzog. Ein paar Tage währte die Odyssee. Bis schliesslich mit etwas James-Bond-Kolorit die Veranstaltung doch noch stattfinden konnte.

Per SMS wurden die Journalisten frühmorgens an den Flughafen bestellt. Dort erwartete sie im Terminal A ein Kontaktmann. Gegen Unterschrift – keine Interviews, keine Fotos, Geheimhaltung der Lokalität – ging die Reise weiter in eine Zürcher Landgemeinde mit Kongresshotel. Warum dieses konspirative Getue? «Wissen Sie», meinte der Lotse mit ernsten Augen, «ganz viele Leute haben wahnsinnig Angst.»

Die Männer haben Angst – und die Frauen sind keine Frauen mehr. So ungefähr sehen die Diagnose und das Dilemma von René Kuhn aus. Vor gut einem Jahr füllte er mit einem flapsigen Beitrag die Sommerlochspalten. Auf seiner Homepage liess er sich über die hiesigen «Vogelscheuchen» aus. Eben aus der Heimat seiner Frau zurückgekehrt, sie ist Russin, sei ihm wieder einmal bewusst geworden, dass in den meisten Ländern die Frauen zu sich schauen. «Nicht so in der Schweiz, wo man sich tagtäglich diese linken, ungepflegten, ‹verfilzten› Weiber ansehen muss, welche überhaupt keine Weiblichkeit ausstrahlen.»

Das war nicht sehr charmant. Man könnte auch sagen, am Anfang von Kuhns Antifeminismus steht ein ästhetisch begründeter Reflex. Mittlerweile ist daraus eine Art politisches Programm geworden. Auf sein Buch «Zurück zur Frau» hätten sich Dutzende Männer bei ihm gemeldet. Ihnen gemeinsam ist ihr Schicksal: Das Scheidungsrecht mache sie zu Menschen zweiter Klasse. Sie würden fast immer den «Kürzeren» ziehen. «Kinder werden ihren Vätern entzogen, und das Sorgerecht wird einseitig der Mutter zugesprochen.» Männer seien dem Goodwill der Frauen ausgeliefert. René Kuhn schaut in die Runde, die knapp hundert Teilnehmer, Typ Hängeschultern, blicken trostheischend zum Redner auf. «Das sind alles unglaublich tragische Fälle.» Ein kollektives Seufzen erfüllt den Sitzungsraum. «Glauben Sie mir, es ist zum Weinen.»

Kuhn und seine Mitstreiter klagen über Frauen, die nicht mehr weiblich sind – und sie tun dies wie Männer, die nicht mehr männlich sind: verschüchtert, weinerlich, wehleidig. Die Klagememmen haben die Klageweiber abgelöst. Der Tages-Anzeiger sprach höflicher von «Emanzipationsverlierern». Diese sehen sich als Opfer von Frauen und Gerichten. Das Kaninchen zittert vor der feministischen Schlange. Statt der im Paradies vorgesehenen Verführung lauern in der Wirklichkeit Unterwerfung und Ausbeutung. So hat sich der Mann die Fortsetzung der Schöpfungsgeschichte nicht vorgestellt.

Pädagogische Wende

Wenn sich die Unterschiede zwischen den Geschlechtern langsam auflösen, hat das nicht nur damit zu tun, dass Frauen selten High Heels tragen und «wie Enten» watscheln. Die Angleichung wird auch von der anderen Seite betrieben. Mittlerweile rasieren sich viele jüngere Männer, so weit die Gillette-Klinge reicht, und das neue Diktat heisst: Augenbrauen zupfen. Dazu kommen manikürte Hände, Lidschatten, violette Foulards – der weibliche Vorsprung schrumpft.

«Männer bauen Raketen. Männer haben Muskeln. Männer weinen heimlich. Männer sind allzeit bereit.» Die Hymne von Herbert Grönemeyer aus dem Jahr 1984 hört sich heute wie ein Abgesang auf sein Geschlecht an. Im Sommer erschien im Atlantic der Artikel «The End of Men». Erstmals in der US-Geschichte bilden die Frauen die Mehrheit aller Arbeitskräfte. Jahrelang hätten sie bloss für ihre Gleichstellung gekämpft. «Was aber ist», fragt die Autorin Hanna Rosin, «wenn die Gleichstellung nicht der Endpunkt ist?» Wenn die moderne, postindustrielle Gesellschaft den Frauen einfach besser liegt?

Die Zahlen weisen tatsächlich in diese Richtung. Rund sechzig Prozent der Schweizer Maturanden sind weiblich. An den Universitäten ist das Verhältnis zugunsten der Studentinnen gekippt. Die Buben sind die Dummen. In der Volksschule werden sie überdurchschnittlich häufig sonderpädagogischen Massnahmen zugewiesen. Ist der Unterricht vor lauter Mädchenförderung knabenfeindlich geworden? Diese These wird schon länger diskutiert. Nicht nur von einer Handvoll hilfloser Männchen, sondern von Erziehern, Bildungsfunk- tionären und besonders prominent vom Jugendpsychologen Allan Guggenbühl («Kleine Machos in der Krise»). Der Lehrkörper sei verweiblicht, lautet die Stossrichtung der Kritik. Den Knaben fehle es an Identifikationsfiguren.

Auch hier gilt: Der Mann ist das neue Opfer. Stillsitzen, fleissig sein, sich anpassen, das liege den Mädchen, aber nicht den Rabauken, die in diesem System zwangsläufig scheitern müssten. Nun möchte man wieder mehr Männer für die Schule gewinnen, was gar nicht so einfach ist. «Der Lehrerberuf hat bei Männern ein schlechtes Image», stellt Anton Strittmatter vom Dachverband Schweizer Lehrerinnen und Lehrer (LCH) fest. Ob aber ein nagellackiertes Etwas mit gezupften Augenbrauen die gewünschte pädagogische Wende bringt, steht auf einem anderen Blatt.

Diskriminierende Stripklubs

Emanzipation kann in Diskriminierung umschlagen. Das aktuelle Scheidungsrecht benachteiligt Männer. Dass rund achtzig Prozent aller Scheidungen auf Initiative der Ehefrauen erfolgen, müsste zu denken geben. Und doch hält sich die Solidarität mit den Antifeministen in Grenzen. Es liegt an ihrem Hang zur Wehleidigkeit. Gesetze kann man ändern. Dafür stehen in der Schweiz Parlamente und der Weg über die Urne offen. Jammern hilft wenig. Mit Unmännlichkeit lässt sich der militante Feminismus nicht in die Schranken weisen.

Wo der Schweizer traditionell eine Abstimmung anstrebt, geht der Amerikaner vor Gericht. Eine bekannt-berüchtigte Anklage stammt vom New Yorker Anwalt Roy Den Hollander, der seine Alma Mater, die Columbia University, aufgrund ihres Faches «Womens Studies» verklagte. Er wirft dem Institut vor, es würde «Männer dämonisieren und Frauen verherrlichen, um die Diskriminierung gegenüber Männern zu rechtfertigen».
In Nevada, dem Heimatstaat des Zocker- und Amüsierparadieses Las Vegas, hat die Kommission für Gleichberechtigung die niedrigen Mitgliedschaftspreise für Frauen in Stripklubs als diskriminierend gegenüber Männern befunden, die einen höheren Preis bezahlen müssten. Währenddessen hat ein Gericht in Denver bestimmt, dass die Angebote bei «Ladies Night» keine Diskriminierung darstellen.

«Emanzipation hat sich zu einem destruktiven Anspruchsverhalten gegenüber Männern, Gesellschaft und Staat entwickelt», sagte René Kuhn am Wochenende. Dieser Ansatz ist durchaus diskutabel. Wenn sich seine Organisation aber wie Hasen durch die Schweiz hetzen lässt, gleicht sie sich ihren lächerlichen Feindbildern an, die den Fussgängerstreifen per Gesetz zum geschlechtsneutralen Zebrastreifen umbenennen und Vater/Mutter durch «das Elter» ersetzen wollen.

Den Abschluss der ersten internationalen Antifeminismus-Tagung bildete ein gemeinsamer Imbiss. Wer auf ein Spanferkel hoffte, sah sich enttäuscht. Es winkte ein Salatbuffet.