Der amerikanische Umweltwissenschaftler Roger Pielke jr. zählt zu den bekanntesten Beobachtern und Kommentatoren des Weltklimarats IPCC (Intergovernmental Panel on Climate Change). Er war bis 2023 Professor im Environmental Studies Program und Fellow des Cooperative Institute for Research in Environmental Sciences (Cires) in Boulder und betreibt eine intensive Blog-Tätigkeit. In einem seiner jüngsten Blogs argumentiert er, der IPCC sei an einer Wegkreuzung. Es gehe nun darum, ob dessen Reputation gestärkt werde oder nachlasse.

Pielke betont, er unterstütze formelle wissenschaftliche Bewertungen nachdrücklich – es sei eine Form der wissenschaftlichen Schlichtung. Wissenschaftliche Bewertungen seien unerlässlich, um zu verstehen, was relevante Experten gemeinsam zu wissen glaubten und was sie nicht zu wissen glaubten. Es gehe auch darum, Unsicherheiten, Meinungsverschiedenheiten und Unwissen aufzudecken. Gut durchgeführte Bewertungen seien keine Wahrheitsmaschinen, sondern böten eine vorläufige Momentaufnahme, die Entscheidungsträger und die breite Öffentlichkeit über den Stand des aktuellen wissenschaftlichen Verständnisses informieren könne.

Zum Klimawandel habe der IPCC seit 1988 insgesamt sechs wissenschaftliche Bewertungen des Klimawandels vorgelegt. «Ich bin ein starker Befürworter des IPCC», schreibt Pielke; wenn es ihn nicht gäbe, müsste man ihn erfinden. Allerdings habe die jüngste IPCC-Bewertung, der sechste Zyklus, mehrere beunruhigende Anzeichen dafür geliefert, dass die Qualität des IPCC nachlassen könnte. Wichtige Teile des Berichts seien unzuverlässig, was seine Legitimität in Frage stelle. Aus seinen Beobachtungen als langjähriger IPCC-Aussenseiter formuliert es Pielke so:

– Die IPCC-Arbeitsgruppe 1, die auf die Physik ausgerichtet ist, habe insgesamt alles richtig gemacht.

– Die IPCC-Arbeitsgruppe 2, die sich mit Auswirkungen und Anfälligkeit befasst, sei stark politisiert und unzuverlässig.

– Die Arbeitsgruppe 3, die sich mit Schadensbegrenzung befasst, werde weitgehend von einer kleinen akademischen Gemeinschaft vereinnahmt, die sich auf integrierte Bewertungsmodelle konzentriere.

Die Probleme bei der Qualitätskontrolle des IPCC, die er in seinen sechsten Bewertungsberichten (A) beobachtet habe, müssten Pielkes Ansicht nach angegangen werden, wenn der IPCC seinen siebten Bewertungszyklus einläute. Politische und öffentliche Legitimität sei schwer zu erlangen und leicht zu verlieren. Der IPCC sei zu wichtig, um nur eine weitere politisierte Institution der Klimapolitik zu werden. Von IPCC-Bewertungen werde erwartet, dass sie die «Bandbreite» der Ansichten in der Literatur abdeckten und «ausgewogen» seien.

Kurz: In Bewertungs-, Synthese- und Sonderberichten müssen die Koordinierenden Leitautoren (CLA), Leitautoren (LA) und Überprüfungsredakteure (RE) der Kapitelteams die Bandbreite der wissenschaftlichen, technischen und sozioökonomischen Ansichten berücksichtigen, die in ausgewogenen Bewertungen zum Ausdruck kämen.

 

Literaturflut

Als grosse Herausforderung für den IPCC sieht Pielke das exponentielle Wachstum der wissenschaftlichen Literatur zum Klimawandel. Für die erste IPCC-Bewertung seien etwa tausend Publikationen zu berücksichtigen gewesen. Für den sechsten Zyklus dann mehr als 500.000 Artikel ab Datum 1990. Für den AR7-Teil würden es nun mehr als 1.500.000 Publikationen sein. Die Menge der relevanten Publikationen habe sich mit jedem IPCC-Zyklus etwa verdoppelt. Eine Folge der wachsenden Literatur sei, dass in jedem AR-Zyklus weniger davon zitiert werde.

Die Redaktion