Das waren noch Träume. «Der Luxus der Zukunft verabschiedet sich vom Überflüssigen und strebt nach dem Notwendigen», schrieb Hans Magnus Enzensberger im Essay «Reminiszenzen an den Überfluss». Wirklich begehrt, so der Philosoph weiter, seien künftig «nicht schnelle Automobile und goldene Armbanduhren, Champagnerkisten und Parfüms», nein, der luxuriöse Mensch verwirkliche sich vielmehr, indem er so diskrete (und zunehmend seltene) Werte wie Ruhe, Raum oder Zeit geniesse. Und weiter: «Der Luxus hat sich zu Tode gesiegt, es fragt sich, ob er überhaupt noch eine Zukunft hat.»
Das war Ende 1996, also vor gut zehn Jahren, doch die Vorstellungen wirken wie aus einem fernen Zeitalter. Ganz offensichtlich hat der handfeste, ungenierte, prunkende Luxus wieder eine Zukunft, und was für eine. Die Lust auf das teure Stück und den ausgefallenen Genuss («Armbanduhren, Champagnerkisten und Parfüms») führt von Nachfragerekord zu Nachfragerekord. Die Schweizer Uhrenindustrie brummt – insbesondere bei den exquisiteren Stücken. Dasselbe beim Schmuck: «Das mittlere und obere Preissegment läuft sehr gut», meldet Adelbert Bütler, der Chef der Bucherer-Gruppe. In der Schweizer Hotellerie erlebten die Fünf-Sterne-Häuser letztes Jahr ein zehnprozentiges Wachstum – knapp doppelt so viel wie der Branchendurchschnitt. Und auch beim Automobil gilt die Faustregel, dass gefragt ist, was sehr teuer ist. «Wir sind einiges voraus gegenüber dem Vorjahr», meldet beispielsweise Frank Foitek in Urdorf; die Garage Foitek verkauft die Edelmarken Maserati und Ferrari. «Vor allem bei Occasionen geht einiges mehr.» Was auch damit zu tun hat, dass Ferrari-Neuwagen derzeit zwischen knapp ein und zwei Jahren Lieferfrist haben.
Und so entwickelten sich Unternehmen, die ihr Geld mit dem Geld der Reichen verdienen, deutlich besser als der Rest: Die weltweiten Luxusfonds, so hat das Wall Street Journal errechnet, buchten seit 2001 Wachstumsraten von durchschnittlich 13 Prozent pro Jahr – die Aktienmärkte stiegen nicht mal halb so steil.
Im Luxusmarkt Schweiz vermengen und verstärken sich mehrere Kräfte. Da ist – erstens – das sonnigere Konsumklima, in dem auch der Mittelstand wieder bereit ist, sich etwas Besonderes zu leisten. Da sind – zweitens – die «neuen Reichen», also die Börsengewinner, erfolgreichen Firmengründer, Boni-Begünstigten, Kaderleute sowie die Erben der Nachkriegsvermögen. Die Zahl der Millionäre steigt stetig, laut einer Erhebung des Finanzhauses Merrill Lynch leben rund 190000 im Land – und zwar Dollarmillionäre –, 5000 mehr als im Vorjahr. Zum Vergleich: Das massiv grössere Deutschland meldet 767000 Menschen im Millionenklub.
Hinzu kommt – drittens – die Zunahme von Reichen und Superreichen weltweit. Deren Geld regnet auch stetig auf den Markt Schweiz – etwa übers Private Banking, wo mehr als die Hälfte der Schweizer Bankerträge erzielt werden, oder über den Tourismus, wo man sich über die zweistelligen Wachstumsraten bei Gästen aus China oder Russland freut, und zwar umso mehr, als diese Kunden im Schnitt mehr als doppelt so viel Geld ausgeben wie ein Schweizer Tourist.
Wie der Reichtum ins Land strömt und sich dann niederschlägt, zeigt wohl am schönsten die Uhrenbranche: Teure Marken wie IWC, Chopard oder Breguet melden Engpässe, die Kunden müssen zwischen ein und eineinhalb Jahren auf ihr gewünschtes Stück warten. Der Hauptgrund: Es fehlt an Fachleuten. Die Folge: Uhrmacher und Ingenieure werden dringend gesucht.