Nachhaltigkeit bedeutet nicht nur, dass Unternehmen und Menschen bei dem, was sie tun, der Umwelt irgendwie Rechnung tragen, nein, Nachhaltigkeit schlägt sich auch in einer entsprechenden Regulierung nieder, die sich wie eine Parallelwelt entwickelt. Wichtiger Treiber der Regulierungsentfaltung ist die EU-Zentrale. Und in der Schweiz ist damit zu rechnen, dass Regeln, die in der EU erlassen werden, früher oder später in irgendwelcher Form ins Land kommen.

Im Moment ergiesst sich die Pflicht zur Nachhaltigkeitsberichterstattung für Firmen wie eine grosse Welle über die europäischen Staaten. Und wenn Deutschland überschwemmt wird, wird auch die Schweiz nass. Das deutsche Justizministerium hat vor einigen Tagen den Referentenentwurf eines Gesetzes zur Umsetzung der EU-Richtlinie hinsichtlich der Nachhaltigkeits-Berichterstattung von Unternehmen (Corporate Sustainability Reporting Directive, CSRD) veröffentlicht. Die EU-Richtlinie verlangt, dass Unternehmen künftig zusammen mit ihrem Jahresabschluss auch detailliert über ihren Umgang mit sozialen und ökologischen Risiken oder Herausforderungen Auskunft geben. Die Berichtspflicht bedeutet für die Unternehmen eine erhebliche Belastung durch Arbeitsaufwand, aber auch durch Risiken der Informationspreisgabe.

Deutschland werde deshalb die Richtlinie nur 1:1 umsetzen, also ohne Zusatzforderungen, sagte Justizminister Marco Buschmann. «Die Belastungen aus EU-Recht dürfen keinesfalls durch nationalen Regulierungsehrgeiz noch gesteigert werden, wie es in der Vergangenheit häufig der Fall», meinte er. Zudem wolle er doppelte Berichtspflichten vermeiden, dies mit Blick auf das Lieferkettensorgfaltspflichten-Gesetz, das ähnliche Berichte verlangt wie die Nachhaltigkeits-Berichterstattung. Man wolle vermeiden, dass zwei im Wesentlichen inhaltsgleiche Berichte nach unterschiedlichen Standards und für unterschiedliche Stellen erstellt werden müssten.

Insgesamt sollen Unternehmen ihren Umgang mit Nachhaltigkeitsrisiken und Nachhaltigkeitsauswirkungen über die gesamte Wertschöpfungskette transparenter machen, und die Angaben sollen durch Wirtschaftsprüfer geprüft werden.

Das Wachstum des Regulierungsuniversums ist so getaktet, dass die neue Pflicht zur Nachhaltigkeits-Berichterstattung in Deutschland, wie anderswo auch, schrittweise umgesetzt wird. Für das erste Geschäftsjahr 2024 gilt die Berichtspflicht nur für grosse, kapitalmarktorientierte Unternehmen mit mehr als 500 Arbeitnehmern. Nachher kommen bis 2028 stufenweise weitere Gruppen von Unternehmen dazu. Das Geschäftsjahr 2025 dürfte einen richtigen Schub bringen, denn dann werden auch nicht kapitalmarktorientierte, grosse Unternehmen dazugenommen. Insgesamt dürfte diese Kontrolle rund 13 000 deutsche Firmen betreffen.

 

Druck auf die Schweiz

Und wie steht es um die Schweizer Unternehmen? Nach dem Scheitern der Konzernverantwortungsinitiative ist der indirekte Gegenvorschlag in Kraft gesetzt worden, der in den neuen Bestimmungen im Obligationenrecht (Art. 964 a–c und 964 j–l OR) besteht. Hinzu kommt eine Ausführungsverordnung. Die ersten Berichte in diesen Angelegenheiten werden jetzt, 2024/2025, zu erstellen sein.

Die Dynamik der Regulierung hält jedoch an. Von linker und NGO-Seite gibt es Druck, die Schweizer Regeln in Richtung der Lieferkettenvorschriften anzupassen, wie sie die EU weiterentwickeln will. Neben dieser Nachhaltigkeitskontrolle treibt die EU die Vergrünung des Finanzsektors voran durch die sogenannte Taxonomie. Diese riesige Liste dient zur hoheitlichen Einteilung der wirtschaftlichen Aktivitäten und Finanzinstrumente nach ihrem Nachhaltigkeitsgrad. Was als «grün» eingestuft wird, erhält Unterstützung, «Fossiles» wird belastet. Grössere Schweizer Unternehmen mit Töchtern in der EU sind ebenfalls davon betroffen. Zudem färben diese grünen Vorgaben auf das Verhalten von institutionellen Investoren und hiesigen Pensionskassen ab.